Am Freitag auf dem Weg vom Kunden zur U-Bahn bin ich wohl etwas zu schnell eine Treppe hinunter gegangen. Dabei muss ich mir meinen linken Knöchel leicht verstaucht, verdreht oder verirgendwast haben. So etwas passiert schon einmal, wenn ich meine Aufmerksamkeit nicht der Treppe, sondern der wohlgebauten, leicht gebräunten, schwarzhaarigen, malaiischen Schönheit vor mir widme.   

Am Freitagabend sehe ich eine Schwellung auf meinem Knöchel. Nun ist es nicht so, dass ich wegen derlei Kleinigkeiten nervös werde. Allerdings habe ich am Samstagmorgen gegen fünf bei der Vorbereitung meiner wöchentlichen Radtour das Gefühl, dass ich nicht radeln sollte. Und das ist schon ein Grund, etwas zu unternehmen. Also werde ich beschlossen – seit ein paar Jahren beschließe ich nicht mehr selbst – unseren TCM, den Traditionellen Chinesischen Medizinmann, aufzusuchen.

Unser TCM, Dr Paul Tan, dessen Alter sich asymptotisch dem Rentenalter nähert, spricht wie fast alle TCM lieber Chinesisch und praktiziert in einer der ältesten Schoppingzentren etwa 5 Minuten von unserem Haus entfernt. Meine Wartezeit beträgt geschätzte 36 Sekunden. Das ist genau die Zeit, die seine Frau braucht, um meine Karteikarte herauszufinden, während sie mich als „Juwie“ erkennt, wie eigentlich fast jeder in diesem Teil der Welt. Hier gibt es noch keinen Computer. Anstatt von Computer und Drucker stehen Karteikästen auf dem Tisch und endlose Reihen von Flaschen mit Pillen in den Regalen. Diese Pillen sehen alle sehr ähnlich aus. Der einzige Unterschied besteht in der Farbenvielfalt der Pillen, die sich von sehr hellbraun über hellbraun, dunkelhellbraun, hellmittelbraun, mittelbraun, dunkelmittelbraun, helldunkelbraun dunkelbraun bis zu dunkeldunkelbraun erstreckt.

Wie immer werde ich von der netten Dame in das Besprechungszimmer gebeten. Das Besprechungszimmer ist absolut schmucklos. Es gibt auch hier Regale mit den scheinbar gleichen Pillen. Im Unterschied zu einem westlichen Mediziner gibt es keine Geräte. Nicht mal ein Stethoskop. Wie immer fühlt Paul meinen Puls erst mit drei Fingern seiner linken Hand, dann mit drei Fingern seiner rechten Hand. Und er schaut mir in die Augen und auf die Zunge. Danach fragt er mich, weswegen ich ihn sehen wollte. Ich zeige meinen geschwollenen Knöchel.

Er nimmt das Teil und drückt auf einen Punkt, wobei ich unter Schmerzen bestätige, dass das exakt die richtige Stelle sei. Nach ein paar weiteren Druckproben sagt er mir, dass ich da ein Blutgerinnsel hätte. Und er sagt mir weiter, dass diese Verletzung nicht ganz neu sei. Sie sei nur neu gereizt worden. Erstaunt bestätige ich das. Zu meiner absoluten Verwunderung drückt er auch eine Stelle an meinem Knie, die ebenfalls schmerzt. Davon hatte ich nichts gesagt. All das kann er entweder mit dem Finger am Knöchel, am Puls oder von meiner Zunge ablesen. Toll. Ich vermute, dass er jetzt auch die Zahl meiner Kinder, das Alter meiner Enkel und den Namen des Hundes meines Schwagers kennt.

Jetzt geht’s ins Behandlungszimmer. Das Behandlungszimmer hat etwa die Größe meiner Mutters Wohnzimmer und ist durch schuhkartondicke Wände in sechs kleine Zellen unterteilt. Jede dieser Zellen hat etwa meine Länge minus ein paar Zentimeter und lässt in der Breite Platz für eine normalausgestattete Person plus Doktor – oder eben für Pamela Anderson plus Handy. Darin befinden sich jeweils eine Liege und ein Hocker. In einer dieser Zellen sitzt schon eine ältere Chinesische Dame, die offenbar gerade am Arm genadelt worden ist.

Paul kommt mit seinen Nadeln und beginnt, diese unter leichtem Drehen in mein Bein zu schrauben. Beim Setzen der Nadeln ist Paul sehr schnell, aber offensichtlich treffsicher. Wann immer eine Nadel in mein Bein eintaucht, gibt es so etwas wie einen schwachen aber merklichen elektrischen Impuls. Da hat er wohl einen Nerv erwischt. Erstaunlicherweise geht eine Nadel ins Knie. Jetzt frage ich nach, was das denn mit dem Knie zu tun hätte. Er antwortet trocken und total ernst, das Knie sei mit dem Knöchel verbunden. Gut, das hatte ich auch schon beobachtet. Ich gebe auf.

Es vergehen fünfzehn Minuten. Ich spüre absolut nichts, sondern klappere diesen Text in mein Telefon. Danach kommt Paul ins Zimmer, nimmt die Nadeln heraus und reibt mein Bein mit einer medizinischen Salbe ein. Sehr sicher mit seiner Arbeit nimmt er mein Bein, drückt auf die geschwollene Stelle und fragt, ob da etwas wäre. Ich spüre den Druck aber keinen Schmerz. Nur ganz entfernt ist da etwas. Ich bin platt.

Paul verschreibt mir wie immer zwei unterschiedliche Arten von braunen Pillen, von denen ich je zwei zweimal täglich nehmen muss. Außerdem keine kalten Getränke, keine Erdnüsse, keine Bananen. Und bitte keine Dusche für zwei Stunden. Ich entgegne, dass ich manchmal für Wochen nicht dusche, worauf er trocken mit einem chinesischen „Gut“ bestätigt. Als ich mit fünfzig Dollar (etwa EUR 33) weniger die Praxis verlasse, trete ich normal auf und gehe die Treppe normal hinunter. Ich halte Ausschau nach einem geeigneten Testobjekt, kann aber keine entsprechende Dame finden.

Nun meinst Du, dass die Behandlung wie eine Betäubung wirken könnte. Dann sollte die Betäubung nach gewisser Zeit nachlassen, oder? Tut sie nicht. Heute, am Sonntagmorgen spüre ich immer noch fast nichts an meinem Knöchel, kann normal laufen und bin sogar treppab so flink wie ein Wiesel, so dass ich jeder malaiischen Schönheit jederzeit folgen könnte. Die Schwellung ist noch etwas sichtbar. Nach dem Aufstehen habe ich für eine Millisekunde mit dem Gedanken gespielt, eine Runde zu joggen und habe das wohl auch irgendwie geäußert. Meine Lieblingsfreundin hat mir dafür die Rote Karte gezeigt.

Die Traditionellen Chinesischen Mediziner gibt es auch in Deutschland. Es gibt gute und schlechte. Wenn sie nicht Chinesisch sprechen können, haben sie sicher nicht in China studiert, sondern müssen ihr Wissen aus zweiter Hand erworben haben. Denen würde ich eher nicht trauen. Auch die authentischen braunen Pillen kommen aus China. Die bekommt man nicht von Pille-Online.

Also sei bitte vorsichtig. Du würdest doch auch Deinen neuen A6 nicht vom Heizungsmonteur warten lassen, der vielleicht Viessmannteile einbaut. Dein Körper ist mindestens so wichtig, wie Dein neuer A6, auch wenn die Garantie auf Deinen Körper schon lange abgelaufen ist.

Wunder gibt es immer wieder

Am Freitag auf dem Weg vom Kunden zur U-Bahn bin ich wohl etwas zu schnell eine Treppe hinunter gegangen. Dabei muss ich mir meinen linken Knöchel leicht verstaucht, verdreht oder verirgendwast haben. So etwas passiert schon einmal, wenn ich meine Aufmerksamkeit nicht der Treppe, sondern der wohlgebauten, leicht gebräunten, schwarzhaarigen, malaiischen Schönheit vor mir widme.

Print Friendly, PDF & Email

Filing Tax

A few years ago, I spoke to a Singaporean about our German tax system. I have to admit that after such a long time abroad I certainly don’t know exactly anymore how the system works. However, I deduce from my old experience in Germany that nothing changes really quickly. The chance of catching German tax officials red-handed […]

Print Friendly, PDF & Email

Lebenslänglich

Vor kurzem hatte ich einen Tag „Einführung in die Datenanalyse” an einer unserer Universitäten zu bestreiten. Nun war mein Programm nicht gerade leicht zu verdauen. Datenanalyse kommt nun mal nicht ohne Statistik aus. Dazu kommt, dass wir in der Einladung Excel-Kenntnisse und eine „Neigung zur Mathematik“ gefordert hatten. Dabei müssen die Teilnehmer nicht persönlich mit Gauss befreundet sein. Sie sollten aber schon einmal von ihm gehört haben. Demzufolge war ich doch etwas verwundert über die Nachricht von meinen Freunden an der Uni, dass deren Computerraum mit 30 Mac bis zum letzten Platz besetzt sein würde. Toll!?…

Print Friendly, PDF & Email

Das Internet der Dinge I

„Alexa, guten Morgen“, begrüße ich meine neue Freundin. Sie antwortet mir höflich und teilt mir nebenbei mit, dass an diesem Tag im Jahre 1882 die Ouvertüre 1812 von Peter Tschaikowski uraufgeführt wurde, in der er den Sieg Russlands über Napoleon feierte.

Print Friendly, PDF & Email

Beim TCM

Wenn Du in der westlichen Welt krank bist, gehst Du zum Arzt. Wenn Du in der Chinesischen Welt gesund bist, gehst Du auch zum Arzt, zum Traditionellen Chinesischen Mediziner, dem TCM. Als meine Lieblingsfreundin vor einigen Jahren den Besuch des TCM vorschlug, war mir nicht ganz klar, was ich da solle, da ich bei mir […]

Print Friendly, PDF & Email

Marathon in Singapur

Diejenigen unter Euch, die sich – wie mein Bruder – beim halben Ablaufen unserer Ostküste schon einmal einen richtig satten Sonnenbrand geholt haben, können die Länge der Strecke richtig einschätzen. Wenn Dir dann jemand sagt, dass Du nicht die halbe, sondern die volle Strecke zweimal ablaufen musst, magst Du das überhaupt nicht. Wenn Du dieses Vorhaben erst anpackst, nachdem Du in der Stadt schon zehn Kilometer gelaufen bist, frustriert Dich das total.

Print Friendly, PDF & Email
Huangshan

Auf der Treppe

In diesem Jahr haben wir in Singapur etwas mehr Regen als gewöhnlich. Normalerweise ist der Monsun nach dem Chinesischen Neujahr durch. Also sollte es irgendwann zwischen Ende Januar und Mitte Februar trockener und heißer werden. In diesem Jahr kam die Hitze erst im März. Noch am 28. Februar hatten wir in einigen Teilen von Singapur […]

Print Friendly, PDF & Email
Sichuan Cuisine

Asiatische Küche – Sichuan Cuisine

Und ich dachte tatsächlich, ich kenne mich mit asiatischen Speisen aus. Falsch gedacht. Sichuan Cuisine offenbart wieder einmal etwas Neues. Ein Geschäftsfreund hatte uns für diese Woche zum Abendessen eingeladen. Und da wir bei ihm noch etwas gut hatten, ließ er sich auch nicht lumpen. Er hatte mich gefragt, ob wir Sichuan mögen. Sichuan Cuisine […]

Print Friendly, PDF & Email

PSLE in Singapur

Nur ein Anlass ist in Singapur wichtiger als der Nationalfeiertag. Das ist das sogenannte PSLE. PSLE heißt die nationale Primary School Leaving Examination und bedeutet Unterstufen-Abschlussexamen. In dieser Woche – in Singapur beginnt das Schuljahr im Januar – ist es soweit. Die Sechstklässler haben ihre Examina.

Print Friendly, PDF & Email

Myanmar-Neujahr

Eben hatte ich wieder einmal eine Plasmaspende in unserer Blutbank. Da ich vom Boss für den Nachmittag zu einer Präsentation eingeladen war, habe ich die Gelegenheit zu einer guten Tat genutzt.

Print Friendly, PDF & Email
Print Friendly, PDF & Email

Bei Interesse, schick einfach eine Mail an uk@uk-online.de. Danke. UK

1 Comment

  1. hermann

    Lieber Uwe , nette Geschichte zu TCM . Ich hatte vorige Woche eine Begegnung mit Dr. Hu , Schiffsarzt auf dem Yangtse . Ich hatte seit Peking ( viele Besichtigungen bei ueber 40 grd ) ” Muecken vor dem Auge ( Krankheitsbild ” mouchs volantes ” ) . Unsicher , ob ich das direkt behandeln lassen muesste oder bis Deutschland warten kann . Nun habe ich ca 1000 dunkeldunkelbraune. Pillen und eine rote Lotion zum Einreiben neben den Augen . Die Augen sind uebrigens mit der Leber verbunden , trotzdem soll man die Tinktur nicht trinken .
    Beim Rausgehen , um 520 Yuan aermer , sagte Dr. Hu noch , das eine Besserung erst nach Wochen oder ueberhaupt nicht eintreten kann . Mal sehen , ob er Recht hat .
    Sonst besuche ich ihn beim naechsten mal wenn ich in China bin und gebe feedback .
    Herzliche Gruesse
    Hermann

Leave a comment

Your email address will not be published. Required fields are marked *