In einer Behörde in Singapur

In einer Behörde in Singapur

Jedermann hat schon einmal das zweifelhafte Vergnügen gehabt, einen bürokratischen Ablauf in einer Regierungsbehörde zu „genießen“, sei es beim Beantragen eines Führerscheines oder bei der sinnlosen, jährlichen Tortur durch den Steuer-Dschungel. Wenn man betrachtet, wie lange derartige Prozesse dauern und wie viele Schritte zu durchlaufen sind, kann man leicht zu der Ansicht kommen, dass dahinter sehr komplexe Abläufe stecken, die von stets überarbeiteten Beamten verwaltet werden, denen es grundsätzlich verboten zu sein scheint zu lächeln.

Wieder einmal habe ich in der Zoll- und Einwanderungsbehörde in Singapore zu tun, um mir einen Stempel als Einwohner abzuholen. Wie immer ist der Prozess recht unkompliziert und die Beamten ausgenommen höflich. Als ich gerade die Treppe hinunter gehe, sehe ich Werbung für eine sogenannte Zutrittskarte (Access Card).

Interessiert lese ich das Kleingedruckte und frage einen der Beamten an der Tür, was das denn damit auf sich hätte. Er erklärt mir, dass diese Karte sehr vorteilhaft ist für Leute, die öfter mal die Grenze passieren müssen. Diese Karte mit Mikrochip und Passbild dient zum Passieren der Grenze am Automaten, ohne den Pass zeigen zu müssen.

Klasse, denke ich. Das macht Sinn. Außerdem habe ich in meiner Brieftasche noch einen Schlitz frei für eine weitere Karte. Der Beamte sagt mir noch, dass ich diese Karte im zweiten Stock bekomme.

Im zweiten Stock wende ich mich – nach ewigen 3 Minuten Wartezeit – an die hübsche, junge Dame am Schalter und frage, ob ich denn diese Karte beantragen dürfe und wie das denn funktioniere. Da ich gelernter Deutscher bin, stelle ich mir vor, dass ich ein Antragsformular bekomme und damit nach Hause gehe, wo ich es ausfülle, dann den Antrag vor Ort persönlich abgebe und nach einiger Zeit eine Einladung bekomme, worauf hin ich die Karte abholen werde. Ich mache mir keinerlei Illusionen, dass das Ganze weniger als ein paar Monate dauern würde.

Die Dame antwortet „Sie sind PR, oder?“ – was so viel bedeutet wie ständiger Einwohner von Singapore. „Ja“, sage ich.

„Sie haben Ihren Pass dabei?“ „Na klar, ich komme ja gerade von oben wegen des PR-Stempels.“

„Haben Sie noch ein Lichtbild?“ Auch das hatte ich – man weiß ja nie, wen man so trifft.

„Und 50 Dollar?“ Kein Problem.

„Außerdem brauch ich noch Ihren Daumen für den Abdruck, ok?“ Nach einem kurzen Blick auf meine rechte Hand sage ich „Den habe ich heute auch dabei.“

Sie schmunzelt und sagt „Dann können wir sofort beginnen“, wobei sie ein Antragsformular aus einem Fach zieht und anfängt, meine Daten einzutragen. Meine Überraschung ist perfekt. Die Wahrscheinlichkeit, dass einer der permanent gestressten deutschen Beamten für mich den Antrag ausfüllt, ist in etwa so hoch wie die Chance, dass Dieter Bohlen zum Publikumsliebling gewählt wird.

Nachdem ich meinen Antrag unterzeichnet habe, verabschiede ich mich. Sie bittet mich, doch bitte auf der Sitzreihe da drüben für ein paar Minuten zu warten. Ich denke so für mich, dass die einen bis jetzt perfekten Prozess durch eine sinnlose Wartezeit verderben werden. Da ich aber nicht in Eile bin, setze ich mich gemütlich, hole mir einen Teh Tarik vom Automaten und beobachte Menschen – vorzugsweise solche in hohen Absätzen.

Nach etwa 15 Minuten ruft mich die junge Dame zurück an den Schalter, lächelt mich an und übergibt mir meine Access Card. Noch einmal: diese Karte sieht aus wie eine Kreditkarte, hat mein Foto in Plastik eingeprägt und meine Daten auf dem Mikrochip. Die Dame bittet mich noch, die Karte am Automaten zu testen. Karte rein, Daumen auf den Scanner, die Testschranke öffnet sich. Na klar, wieso sollte das nicht funktionieren? Wir sind doch in Singapur. Von nun an wird mein Grenzübertritt zum Flieger auf dem Flughafen, im Auto nach Malaysia oder an der Fähre nach Bintan etwa zehn Sekunden dauern. Klasse.

Das wirklich Beeindruckende aber ist der Prozess der Kartenbeantragung. Zu Beginn wusste ich nicht einmal, dass diese Karte existiert. Zwanzig Minuten später habe ich die Karte in meiner Hand, mit meinem Bild in Plastik gegossen und meinem Daumenabdruck nebst Augenfarbe und Schuhgröße auf den Chip gebrannt.

Oft habe ich den Eindruck, dass Singapur einer der wenigen Flecken auf der Erde ist, wo viele Abläufe für Menschen optimiert sind und der Staat für die Menschen arbeitet. Meist ist es anders herum.

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