Wenn ein Chinese einen Schnupfen oder andere Kleinigkeiten hat, geht er zum Chinesischen Doktor. Das war wohl vor 3000 Jahren schon so, und das ist immer noch so. Der Chinesische Doktor kann fast alles kurieren und das passiert mit interessanten Mitteln.

Es gibt auch einige wenige Dinge, bei denen der westliche Mediziner ran muss. So gehe ich regelmäßig einmal pro Jahr zum Arzt, um mir ein Blutbild machen zu lassen. Würde ich den Chinesischen Doktor darum bitten, würde er mir wahrscheinlich das Blutbild erstellen und mir meinen Cholesterinspiegel erklären, ohne von mir Blut genommen zu haben.

Nach dem Betreten des immer vollen Wartezimmers bei einer guten TCM-Frau in Singapur und dem Warten beginnt die Diagnose. Sie schaut mir in die Augen und den Mund, studiert meine Hand sehr intensiv und fragt in Chinesisch, ob ich leicht Kopfschmerzen bekomme. Hoppla, das stimmt sogar. Dann sagt sie noch, dass meine Kopfschmerzen sehr stark ausfallen können. Ja, das weiß ich auch schon seit über 40 Jahren. Allerdings bin ich überrascht, dass sie das von meinen Fingernägeln abliest. Auf das Auto übertragen würde das in etwa bedeuten, dass beim Besuch in der Werkstatt nach dem Betrachten der Rückenlehne vom Fachmann geschlussfolgert wird, dass Deine Kupplung abgerieben ist.

Bei Amy meint die Medizinerin nach einem kurzen Blick in die Hand, dass da ein Magenproblem vorliegt. Das passt auch sehr genau. Sie hatte vor Jahren eine Magenoperation und ist immer noch sehr empfindlich, wenn es um das Essen geht. Ein scharfes Kassler mit Thüringer Klößen hat bei ihr etwa die Wirkung einer verschluckten Handgranate.

Das Beste beim TCM ist die Medikation. Der Chinesische Doktor, in unserem Fall sie, hat ein riesengroßes Regal mit kleinen Flaschen und Gläsern voller unidentifizierbarer Naturheilmittel. Manchmal wird auch etwas mit Mörser und Stößel zubereitet, das es offensichtlich in der Mischung nicht fertig gibt. Es ist nie eine gute Idee, diesen Prozess zu beobachten, weil dadurch wahrscheinlich jeglicher Mut zur Einnahme der Medizin im Keim erstickt werden würde. Als ich mal den Mörser betrachten konnte, bevor der Medizinmann mit dem Stößel meine Heilmedizin zubereitet hat, sah das Ganze aus wie das, was ich normalerweise beim Reinigen im Gitter hinter dem Kühlschrank finde.

Auch finde ich es sehr interessant, dass die Dame eigentlich nie in einem Buch nachschaut, wie sie denn die Medizin zubereiten muss. Sie überschlägt offensichtlich im Kopf die Anzahl der getrockneten Froschaugen und den Anteil an Tigerpenis, der gerade gebraucht wird.

Wenn ich meine Chinesische Medizin einnehme, schmeckt die immer sehr merkwürdig. Nach unserem Chinakurztrip habe ich dreimal täglich zwei unterschiedlich braunfarbene Tabletten zu schlucken, die gegen meinen Pekinghusten helfen sollten. Die erste Tablette hat einen leichten Geschmack nach bitteren Mandeln mit etwas Sand, Hausstaub und Ingwer. Daneben kann ich noch Spinnenbeine, Katzenhaar und Seeigelstacheln herausschmecken. Die andere Medizin schmeckt eigentlich ganz genauso.

Das Beste daran ist jedoch, dass diese Medizin immer irgendwie wirkt. Vielleicht liegt es ja auch an der Einbildung und daran, dass selbst im hochtechnisierten Singapur jeder Chinese daran glaubt. So wirst Du als Langnase auch irgendwie von der Wirkung überzeugt und machst einfach mit.

 

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