Eine Chinesische Hochzeit in Singapur ist voller Tradition. Wahrscheinlich nehmen das die Singapureaner ernster, als die Chinesen selbst.

Am Morgen des Hochzeitstages gibt es die Teezeremonie. Das heißt, das Brautpaar lädt die gesamte Verwandtschaft nach Hause ein, erst in das seiner und dann in das ihrer Eltern. Die Verwandten werden von Braut und Bräutigam mit Tee bewirtet, wobei sie auf zwei vorbereitete Stühle gebeten werden. Nachdem die Verwandten, in der Regel ein Paar, Platz genommen haben, präsentieren sie dem Brautpaar ein Rotes Paket mit Geld oder Schmuck und wünschen dem Brautpaar alles Gute für … na Ihr wisst schon. Der Geldbetrag ist nicht ganz winzig. Wir legen in der Regel mehrere hundert Dollar darin ab. Das Ganze ähnelt etwas einer Rot-Kreuz-Sammlung mit dem Unterschied, dass die Spende nicht irgendwelchen Mittellosen zugutekommt, sondern das Startkapital des Brautpaares vergrößert. Zieht man die durchschnittliche Familiengröße in Betracht, ist der Endbetrag sicher nicht unerheblich.

Bevor andere Verwandte begrüßt werden, sind die eigenen Eltern dran. Schwiegermutter und Schwiegervater kaufen sich sozusagen in die Gunst der neuen Familienmitglieder durch das präsentieren eines goldenen Ringes oder einer goldenen Halskette ein, wobei sie beteuern, dass dieses Teil davor schon von ihren Eltern, davor von deren Eltern, usw. getragen wurde. Ganz traue ich der Sache nicht, da bei einer Familiengröße von acht Geschwistern bei Eltern, Großeltern und deren Eltern irgendein armer Hund in grauer Vorzeit hunderte Ringe irgendwo billig bekommen haben muss. Das macht aber weiter nichts. Schließlich versprechen die frisch verheirateten Eheleute auch die Treue bis zum Tode, wonach es einige nur bis zum Tode von Nachbars Hund durchhalten.

Anschließend revanchieren sich die Brautleute mit einer winzigen Tasse Tee und bedanken sich für die Aufnahme in die jeweils andere Familie. Wie bei jeder Gelegenheit wird auch hier ausgiebig gegessen, wobei ich immer etwas von Muttis Kuchen vermisse. Es gibt Chinesisch, auch am Morgen. Unsere Verwandten wissen schon, dass ich eher wenig esse, schon gar kein Hühnchen mit Nudeln am Morgen um zehn. Außerdem hat mal jemand bemerkt, dass ich gerne Eiskrem esse. Daher wird mir bei solchen Gelegenheiten oft Eiskrem angeboten, unabhängig von der Tageszeit.

Nach einem Schwatz mit jedem Verwandten machen wir uns auf den Heimweg. Der Schwatz zwischen mir und einigen Älteren kann sehr interessant sein. Die sprechen vorzugsweise Hokkien. Das ist ein Chinesischer Dialekt aus dem Süden Chinas, der so viel mit Chinesisch zu tun hat, wie ein Meerschweinchen mit dem Meer. Unser Schwatz wird also halb in Englisch und halb in Hokkien gehalten. Dabei lächeln wir von Zeit zu Zeit, wenn der andere scheinbar etwas eher Interessantes von sich gegeben hat. Wenn der andere lacht, ist das ein Zeichen für einen Witz, worauf ich von Herzen mit lache. Missverständnisse gibt es praktisch nicht. Nachdem wir alles besprochen haben, verabschieden wir uns herzlich. Im Wagen frage ich dann schon mal Amy, was denn der Gegenstand des Gesprächs war. Amy bekommt auch schon mal ein Kompliment von ihrer Familie zu meinem gewachsenen Wortschatz in Chinesisch. Toll.

 

Am Abend geht die Sache weiter mit der richtigen Hochzeitsfeier. Letzte Woche war ein Sechs-Sterne-Hotel auf Sentosa der Austragungsort. Nach der Ankunft gibt es eine Art Rezeption, die wie eine Kinokasse aussieht und meist von Brautschwestern in unmöglich fummeligen Kleidern „bemannt“ wird. An dieser Station „bezahlen wir das Eintrittsgeld“. Dazu wird wieder ein Red Packet, ein rotes Paket mit Geld darin in einen Karton mit Schlitz geschoben. Danach wird uns eine Tischnummer zugewiesen und wir hängen noch etwas mit anderen Gästen rum, wobei wir tonnenweise Nüsse naschen und Saft kippen.

Unser Tisch ist gleich neben der Bühne, allerdings nicht neben einem Lautsprecher. Bei ähnlicher Gelegenheit hatten wir das unendliche Glück, sowohl Bühne als auch Lautsprecher neben uns zu haben, so dass die Erdnüsse im Dreivierteltakt wie die Schrauben an einem Montageband bei BMW erst an den Rand des Tellers und dann einzeln auf den Tisch gerüttelt wurden. Nach jenem Abend hatte mir Amy für Wochen unterstellt, dass ich ihr nicht mehr zuhöre.

Letzte Woche ist dagegen akustisch viel besser. Auch die Verpflegung ist in Ordnung. Gegen halb acht ist der erste Gang auf dem Teller. Erst denke ich, das wäre nur zum Kosten, da die Portion auf dem Teller kaum Daumengröße erreicht. Als dann die Moderatoren mit dem Unterhaltungsprogramm beginnen, wird mir der Teller auch schon wieder abgenommen. Ich erinnere mich an ein französisches Restaurant, in dem ich für verdammt viel Geld quasi nichts gegessen hatte und danach noch einen Burger kaufen musste. Jetzt habe ich ein ähnliches Gefühl. Der nächste Gang kommt gegen neun – und mein Magen ist eigentlich schon in Stand by. Dieser Gang ist eine exzellente Chinesische Suppe – in der Portionierung für einen Dreijährigen. Das kann ich essen, ohne meinen Magen richtig aufzuwecken.

Auf diese Suppe folgt in der Regel eine Ansprache der Freunde oder Geschwister, manchmal in Englisch, oft in Chinesisch. Auch auf dieser Hochzeit ist es so aufregend wie „Das Wort zum Sonntag“. Der folgende Gang ist ein Fisch, der in guter Chinesischer Tradition mit Gräten und Kopf serviert wird. Nachdem ich dem Fisch in die Augen geblickt habe, warte ich auf den nächsten Gang. Es ist nicht so, dass die Mitarbeiter in den Restaurants hier zu faul sind, den Fisch zu filetieren. Nein. Es ist eher unanständig, einem Chinesen ein Stück Fischfilet zu servieren.

Nun halten Braut und Bräutigam ihre Reden. Nicht schlecht. Es gibt sehr viel Dank für Eltern und Geschwister. Sehr angemessen und rührend.

So geht es weiter bis zum letzten Gang, einem köstlichen Dessert, das sogar in ansprechender Menge serviert wird. Allerdings ist es schon weit nach Mitternacht und mein Magen und ich haben eben das Frühstück besprochen. Vor den Aufbruch hat die Tradition noch das obligatorische Foto gesetzt. Das heißt, Brautpaar und Eltern gehen von Tisch zu Tisch und lassen sich mit den Gästen zusammen ablichten. Hoffentlich habe ich dabei keine Nudel über der Augenbraue.

Dann postieren sich Brautleute mit Eltern für das abschließende Defilee am Ausgang, so dass sich die Gäste angemessen bedanken und verabschieden können.

Noch eine Kleinigkeit ist erwähnenswert: Wie in jedem guten Restaurant wird auch in diesem die Kundenzufriedenheit eingeholt. So nähert sich etwa zur Halbzeit ein freundlicher Kellnerboss unserem Tisch und fragt mich nach meiner Meinung zu Essen, Service, Ausstattung, usw. Ich gebe ihm ein paar Hinweise und bin ansonsten zahm – eben ich. Danach macht er den Fehler seines Lebens. Er stellt Amy die gleichen Fragen. Nachdem sie ihm erklärt hat, dass sie immer noch auf das Essen warte und schon fünfmal nach einem schnöden Glas Wasser gefragt hätte, geigt sie ihm so gehörig die Meinung über lausigen Service und inkompetente Mitarbeiter, dass ich ihren Arm fassen und die Notbremse ziehen muss. Ich habe Mitleid mit dem armen Menschen.

Danach geht’s in guter Stimmung nach Hause, wo wir noch einmal den Kühlschrank besuchen.

 

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