Noch genau kann ich mich erinnern, wie ich jeden Morgen vor der Schule am Kaffeetisch die in der Regel schlechten Nachrichten aus Nordvietnam serviert bekam. Main Vater hatte eigentlich immer den Stern 3 mit Nachrichten laufen, während er an der Stirnseite sitzend seinen Kaffee trank. Mein Muckefuck mit viel Milch wurde durch Neuigkeiten wie Bombenteppich über Haiphong oder Napalm über dem Urwald nahe Hanoi gewürzt. Damals dachte ich noch, das alles sei eine Riesenungerechtigkeit gegenüber den Menschen in Vietnam. Gerade waren sie der Kolonialherrschaft durch die Franzosen entkommen, nun wurden sie von den Amerikanern bombardiert.
Heute weiß ich, dass dieses Vorgehen irgendwie richtig gewesen sein muss, da die Bombardierung ja durch unsere jetzigen Freunde durchgeführt wurde. Genauso, wie der Krieg in Afghanistan und im Irak und viele andere davor und danach – vielleicht bald im Iran. Man kann eben total falsch liegen, wenn man nur seinem gesunden Menschenverstand folgt. Gott-sei-Dank gab es damals und gibt es heute genug Medien und gebildete Politiker, die uns helfen, richtig von falsch und schwarz von weiß zu unterscheiden; eben die Welt zu verstehen. Danke dafür.
In der vergangenen Woche hatten wir wieder einmal die seltene Gelegenheit, die Betroffenen zu treffen. Die Söhne und Töchter derer, die Gräueltaten an amerikanischen Soldaten verübt hatten und deshalb bombardiert werden mussten.
Seitdem wir Nord-Vietnam das letzte Mal besucht hatten, sind etwa zehn Jahre vergangen. Das Straßenbild hat sich etwas verändert. Neben den immer noch vorherrschenden Motorrädern und Mopeds gibt es viel mehr und neuere Autos. Fahrräder sind fast völlig verschwunden, zumindest in der Großstadt. Vor unserem Hotel wurde auch schon ein Rolls Royce gesichtet. Auf der Straße hatten wir einen Maserati vor uns. Die Entwicklung geht also in die richtige Richtung. Im Gegensatz zum Rest der Welt hatten wir Schwierigkeiten, gute amerikanische Küche zu finden. McD, KFC und BK existieren quasi nur am Flughafen. So mussten wir mit vietnamesischer Küche Vorlieb nehmen. Wie eigentlich überall in Asien ist die Liste der leckeren und dabei gesunden und nahrhaften Speisen unendlich lang. Die vietnamesische Küche legt sehr viel Wert auf Gemüse, das in sehr unterschiedlicher Form gereicht wird. Die Vietnamesen essen gut und gesund. Das sieht man den Menschen an. Es gibt fast keine Übergewichtigen. Die Damen haben Traumfiguren. Wirklich.
Das wirklich Beste an unserem Aufenthalt in Vietnam ist der Auftrag:
Während die USA und sicher auch Deutschland erfolgreich Bomben und andere militärische Güter für einen mehr oder weniger guten Zweck an Freund und Feind gleichmäßig verteilen und danach ebenso erfolgreich beim Wiederaufbau helfen, kann sich mein kleines Singapur so etwas nicht leisten.
Bei einem Gespräch mit einem Botschaftsmitarbeiter in Hanoi vor ein paar Tagen war meine Antwort auf seine Frage nach unserem Job auch sehr direkt: „Während Deutschland und viele andere Waffen ins Ausland befördern, exportiert Singapur Bildung. Ich liebe diesen Job!“
Unter der Überschrift „Singapore Cooperation Programme“ (SCP) exportiert Singapur Bildung in die ASEAN-Staaten. Noch besser: Die anderen ASEAN-Mitgliedsstaaten (Vereinigung der Südostasiatischen Staaten) erhalten von Singapur kostenlos Unterstützung in genau den Disziplinen, die eben gerade wichtig sind. Unter diesem Programm wird kein Geld verteilt – da nicht sicher ist, wo das dann landet – sondern eben Bildung. So gibt es SCP für den Aufbau von Häfen, von IT-Systemen, von Telekommunikationssystemen etc. Die SCP mit der Überschrift „Modernes Personalmanagement“, „Effiziente Prozesse“, „Führungskräfteausbildung“ durften wir schon ein paarmal durchführen.
Nach gewonnener Ausschreibung dürfen wir in diesem Jahr je eine Woche in Vietnam, in Laos, in Kambodscha und in Myanmar verbringen. Unser Außenministerium zahlt die komplette Zeche, das heißt unseren Flug, unser Hotel, alle sonstigen Ausgaben und unser Honorar. Vor Ort gibt es ein Trainingszentrum, das ebenfalls von Singapur aufgebaut und von unserer Botschaft betreut wird. Die Teilnehmer sind ausgewählte Regierungsmitarbeiter aus unterschiedlichen Ebenen, vom Mitarbeiter zum Direktor und stellvertretenden Minister. Von denen wird gefordert, eine Woche Zeit und Interesse zu investieren.
Und die Sache macht sehr viel Spaß, weil die Teilnehmer in der Regel sehr offen sind für alles, was wir vorbereitet haben. Bei der Durchsicht der Bewertung habe ich gerade eben feststellen dürfen, dass sie unser Programm sehr passend fanden, sehr viel gelernt haben und uns bald wiedersehen wollen.
Das ist ein verdammt gutes Gefühl, besonders nach meinen Kindheitserinnerungen zu Vietnam.