Tiere in Singapur

Tiere in Singapur

Es hat sich mittlerweile sicher herumgesprochen, dass Singapore nicht im Land Thüringen liegt, sondern irgendwo „da unten“, wie eine meiner Schwestern zu sagen pflegt. Mit dieser Umschreibung ist eine klitzekleine Insel mit einer Fläche von 730 Quadratkilometern gemeint, die zwischen der gigantischen indonesischen Insel Sumatra (viel größer als Deutschland) und dem Indischen Ozean auf der Westseite, der Halbinsel Malaysia im Norden sowie dem Pazifischen Ozean im Süden und Osten liegt.

Wenn ich behaupte, dass meine Lieblingsfreundin für gewöhnlich auf der Nordhalbkugel und ich auf der Südhalbkugel im gleichen Bett schlafen, dann ist das nur fast richtig. Tatsächlich liegt Singapore zwei Schnellbootstunden vom Äquator entfernt im Norden.

Haus am Park

Diese Lage bringt es mit sich, dass es auch im kleinen und hochtechnisierten Singapore Überbleibsel des tropischen Regenwaldes mit durchaus üppiger Flora und Fauna gibt. Und wenn Du nicht total von der Umwelt abgeschlossen lebst, spürst Du das früher oder später. Natürlich ist es für die meisten – außer für meinen Freund Jörg – interessanter, näher auf die Fauna einzugehen. Der Grund ist einfach: Blumen verstecken sich eben nicht hinter Skorpionen, Bäume springen nicht von Schlange zu Schlange und Palmen klettern auch nicht auf Affen.

Erst gestern habe ich beim abendlichen Laufen wieder einmal feststellen müssen, dass die Fledermäuse offensichtlich ziemlich gut mit der Zivilisation zurechtkommen. Beim Aufblicken siehst Du die lautlos jagenden Flieger elegant zwischen Palmen und Sträuchern mit hoher Geschwindigkeit hindurchschiessen, ohne jemals anzuecken. In deren Kopf funktioniert ein Radarsystem, dessen Leistungsfähigkeit bei Energiezufuhr von nur ein paar Mücken am Tag Technikern immer noch ein Rätsel ist.

Der Nashornvogel im Park
Diese kommen nur als Paar vor

Bei einem Kurzausflug nach Kambodscha durften wir vor einiger Zeit sehen, wie ganze Kolonien von Fledermäusen riesige Bäume förmlich schwarz färben.

Ganze Kolonien von Reihern nisten im Park am Pazifik

Auf den Bäumen gibt es außerdem so ziemlich alle Vögel, die wir aus dem Zoo kennen. Hinter unserem Haus am Park sitzen oft große Nashornvögel – sozusagen die Politiker unter den Vögeln – die sich lautstark bemerkbar machen. Etwas weiter entfernt an einem Kanal, in den der Pazifik bei Flut hineindrückt, gibt es unzählige Nester von unterschiedlichen Reiherarten. Regelmäßig sehen wir Adler auf der Jagd nach Fischen. Auf unseren Spaziergängen nach Changi oder auf Radtouren entlang der Pazifikküste lärmen ganze Schwärme von blaugrünen, weißen oder gelben Papageien. Daneben gibt es Bäume, an denen eigentlich immer Spechte bei der Arbeit zu beobachten sind. Immer wieder treffen wir auf Vögel, die wir noch nicht kennen. Wahrscheinlich treten hier fast alle Arten auf, die es auch auf der Malaiischen Halbinsel gibt, welche nur durch einen kilometerbreiten Streifen Wasser von Singapore getrennt ist.

In Singapur gibt es viele Arten von Papageien – freilebend im Park

Die Nähe der Halbinsel und damit einer sehr vielfältigen tropischen Fauna hat auch schon zu ungewohnten Besuchen in Singapore geführt. Vor etwa 20 Jahren schwammen drei ausgewachsene wilde Elefanten mehr als einen Kilometer durch den Pazifik, um in Singapore für Aufregung zu sorgen. Von Zeit zu Zeit gibt es Berichte über Malaiische Tiger, die sich auf einer Insel vor Singapore zu schaffen gemacht haben sollen, wonach die Insel für Besucher gesperrt und von Behörden durchkämmt wird. Wir kennen diese fast unbewohnte Insel wie unsere Ostentasche, da sich dort im Schatten des uralten tropischen Forsts sehr gut Rad fahren lässt. Ein Tiger ist uns allerdings noch nicht begegnet. Unser Interesse an solch einer Begegnung ist eher gemäßigt.

Zwei Affen beim Kennenlernen

Beim morgendlichen Arbeiten mit dem Computer auf der Terrasse – vom späten Vormittag bis zum Abend lässt die äquatoriale Sonne so etwas nicht zu – konnten wir täglich einen Affen begrüßen, der sich auf dem Zaun lautlos bis in weniger als Meterentfernung heran wagte.

Nicht zu unterschätzen

Der Makake war nie in unserem Haus, hat nie auf unsere Terrasse gemacht und hat mir auch niemals die Haare ausgerissen. Allerdings soll er oder einer seiner Kollegen das Haus eines Nachbarn auf den Kopf gestellt haben, so dass er von den Behörden eingefangen werden musste.

Mittlerweile habe ich wieder Makaken auf Bäumen in unserem Park entdeckt. Mal schauen, wie lange es dauert, bis sie erneut Bettzeug zerfetzen und Kühlschränke zerlegen.

Die wohl häufigsten größeren Tiere in Singapore kommen aus der Familie der Reptilien. Leider habe ich die größte der Reptilien, die Python, noch nicht vor die Linse bekommen. Die Python wird auch in Singapore regelmäßig gesichtet und ist dann immer mehrere Meter lang.

Ein Zusammentreffen mit einer Python ist so ungefährlich wie das mit der Schwiegermutter. Man kennt sich, respektiert sich, geht sich aber aus dem Weg. Etwa jedes zweite Jahr wird berichtet, wie eine Python wieder einmal einen Menschen gefressen hat. Das passiert in Indonesien. In Singapore gibt‘s das nicht, da jede Python bei der Einreise auf die Regeln auf unserer kleinen Insel hingewiesen wird.

Insekten sind am Äquator für gewöhnlich etwas größer als in Mitteleuropa

Skorpione lassen sich oft unter größeren Steinen oder zwischen gefällten Holzstämmen aufscheuchen. Wir fanden einen Skorpion mit einer ganzen Kinderkrippe auf dem Rücken bei einem Spaziergang. Bevor ich meine Kamera im Anschlag hatte, ist er auch schon wieder verschwunden gewesen. Nur ein verwaschenes Bild bleibt zurück.

Diese Warane liegen in der Sonne in einem frei zugänglichen Mangrovensumpf.

Andere Zeitgenossen sind da wesentlich aufdringlicher. Überall in Singapore gibt es Echsen. In unserem Haus hängen sie an der Decke, sind dann allerdings nur ein paar Zentimeter lang und ersetzen den hässlichen klebrigen Fliegenfänger, den wir früher mal hatten. Der Vorteil der Geckos ist, dass die den Fliegen tatsächlich folgen, egal ob an der Wand, der Decke oder am Fenster. Die Fliegenfänger sind – soweit ich mich entsinne – unbeweglich. Die Geckos machen offensichtlich einen gigantischen Job. Obwohl wir in einer Gegend mit allerlei Mücken leben, kann ich mich nur an eine Handvoll Stiche erinnern. Neben den Geckos haben wir allerlei mittelgroße Echsen, die sich bei Störung wie kleine Saurier auf zwei Beinen fortbewegen können und dann meist auf Bäume klettern, wo sie verschwinden. Wann immer wir sie sehen, habe ich meine Linse nicht zur Hand. Schade.

Dieser Waran sonnt sich fast jeden Tag hinter dem Haus

Beim Sitzen auf der Terrasse hatte ich schon etliche Begegnungen mit richtigen Echsen. Beim ersten Zusammentreffen sehe ich in meinem Augenwinkel etwas großes Dunkles von der Terrasse in unser Wohnzimmer huschen. Etwas ängstlich wende ich meinen Kopf zum Wohnzimmer, von wo mir ein ziemlich ausgewachsener Waran entgegenblickt. Genauso erschrocken wie ich macht er sich sofort und recht schnell aus dem Staub, rennt über die Terrasse den Hang hinter dem Haus hinunter und verschwindet in den gegenüberliegenden Büschen.

Natürlich gibt es auch Knuddeltiere

Diese Teile werden wesentlich länger als einen Meter und sehen ganz beeindruckend aus. Es wird gesagt, dass die in Singapore lebenden niemals gefährlich werden, obwohl sie Fleischfresser sind und als solche imponierende Zähne haben. Dagegen gibt es auf der Insel Komodo die „richtigen Nachfahren“ der Dinosaurier. Diese arbeiten mit einem von der Natur gegebenen Trick. Wegen fehlender Mundhygiene entwickeln sich in deren Maul derart aggressive Bakterienstämme, dass die Komododrachen jedes beliebige Tier nur kurz mit den Zähnen ankratzen müssen, wonach sich die Beute innerhalb weniger Tage automatisch wegen Blutvergiftung von innen auflöst. Diese Warane gibt es also in Singapore nicht. Ich kenne allerdings menschliche Verwandte dieser Tiere, deren Mundhygiene ähnlich ausgefeilt zu sein scheint. Diese erlegen ihre Beute mittels eines vernichtenden Atemstoßes, der wie eine biologische Massenvernichtungswaffe arbeitet.

Kinder lernen in der Schule „Schlange mit rundem Kopf – kein Problem. Schlange mit trapezförmigem Kopf – Problem.“

Ausserdem gibt es andere Zeitgenossen, wie allerlei Schlangen. Die große Königskobra wird nicht so oft gesehen. Allerdings trifft man schon auf die kleinere, meist schwarze Speikobra. Diese Begegnung haben wir immer mal wieder direkt am Haus. Zuerst ist da ein schwarzer Kopf eines zwischen Steinen hervorblickenden Reptils, den unsere Haushälterin Vangie beim Arbeiten im Hof entdeckt. Natürlich lässt sich daraus nicht schließen, worum es sich handelt. Schwarz und irgendwie gelbe Flecken an der Seite ist die Beschreibung, die wir den herbeigerufenen Tierfängern geben können.

Unsere Speikobra: Hier sieht man eine Andeutung des abgeflachten Körpers, der beim Aufstellen die typische Kobrafigur erzeugt.

Nach dem Zahlen von sechzig Dollar und der Aussicht, dass wir wahrscheinlich eine Speikobra als Untermieter haben, die die Jungs leider nicht fangen können, leben wir etwas vorsichtig. Nach der Rückkehr von einer längeren Reise machen wir es auch zur Gewohnheit, die Zimmer beim Eintreten etwas aufmerksamer zu inspizieren. Die Berichte von Anderen, die bei ähnlicher Gelegenheit auf eben diese Schlange getroffen sind, gibt es schon hin und wieder. Bisher dachte ich, das wären Aufschneider.

Das Ganze war in etwa vierzig Sekunden vorueber.

Ich sitze wieder einmal auf der Terrasse und schreibe am Computer, als ich plötzlich Vangie direkt vor mir aufschrecken sehe, wonach sie einen Schrei von sich gibt. Von meinem Lieblingsplatz auf der Terrasse zur Gartentür sind es vielleicht vier Meter. Genau da steht Vangie etwas erregt. Bei einem kurzen Blick sehe ich, dass sich da eine eher große schwarze Schlange bemüht, einen Unterschlupf unter unserer Treppe zu finden. Aus irgendeinem Grunde habe ich meine Kamera in Reichweite, so dass ich sofort Bilder machen kann. Kobrabilder in der freien Wildbahn; damit kannst Du doch toll angeben. Die Kobra sucht noch eine Weile.

Mittlerweile ist auch unser Nachbar an seiner direkt daneben liegenden Gartentür und erregt die Schlange mit einem langen Stock. Vor einiger Zeit sagte er mir einmal, dass ich immer einen langen Stock zur Schlangenbekämpfung auf der Terrasse haben soll. Natürlich hatte ich den Stock nicht zur Hand. Wer glaubt denn solche Geschichten? Die Kobra zeigt kurz den typischen flachen Körper, bevor sie sich ohne Eile aus dem Laub macht.

Der Affe auf dem Terassendach

Danach sind wir doch etwas verunsichert darüber, ob wir in der richtigen Gegend leben. Wir überlegen uns, was passieren kann. Wenn sie uns anspucken sollte, sofort Wasser drauf. Die netten Jungs von Google wissen so ziemlich alles über diese Tiere. So erfahren wir, dass diese nicht weiter als zwei Meter spucken können. In der Hoffnung, dass die Kobra das auch weiß und sich daran hält, sind wir etwas lockerer. Bei Vangie ist das anders. Sie ist nur irgendwas über einen Meter groß. Vielleicht spuckt die Kobra über sie hinweg, hoffen wir. Falls die Kobra allerdings in Beißlaune sein sollte, würden wir sofort das nahegelegene Krankenhaus aufsuchen müssen. Auch wenn das Leben gerettet werden kann, ist es sehr leicht möglich, dass das gebissene Bein abfault, wenn das Gift sich ein paar Minuten ausbreiten kann. Wir stehen nicht auf abgefaulte Beine.

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2 Comments

  1. Galla Martina

    Es sind diese Art Reiseberichte die mein Herz hüpfen lässt(vor Lachen), intelligent und witzig. Leider gibt es davon zu wenige. Dieser ist hinreissend. Danke dafür, hab ausserdem ne Menge daraus gelernt.

  2. UK

    Danke sehr. Freut mich!

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