Eigentlich würde uns der Ausbruch eines Unterwasser-Vulkans nahe einer Inselkette im Südpazifik viel weniger interessieren, als der Rauswurf eines Nowak aus Australien. Das ist verständlich.
Wer hat denn schon einmal über Tonga gelesen, eine Ferienreise dahin in Betracht gezogen, geschweige denn seinen Fuß auf Tonga gesetzt? Wir waren da.
Über Tonga
Tonga ist ein Königreich mit 169 Inseln, von denen 36 bewohnt sind. Tongatapu ist die größte Insel mit einer Fläche von 260 Quadratkilometer – etwas mehr als der Hälfte von Köln – und etwa 75 Tausend Einwohnern.
Tonga wurde wohl von einem Europäer, nämlich Kapitän Koch (Captain Cook) erstmals um 1770 betreten. Obwohl er damals von den Eingeborenen recht freundlich empfangen wurde, war eigentlich während der zur gleichen Zeit stattfindenden Feierlichkeiten sein Schlachten auf dem Plan. Er hat wohl nur durch Zufall bei den Menschenfressern überlebt. Ja, richtig. In Tonga hat man bis Mitte des 20. Jahrhunderts Menschen verspeist.
Heute verspeist der typische Tonga-Einwohner wahrscheinlich mehr Schweinefleisch und Kartoffeln, als irgendein anderes Volk auf der Welt. Das liegt sicher auch daran, dass Tonga nicht eben reich ist.
Die etwa hunderttausend Untertanen des Königs schaffen ein Bruttosozialprodukt von etwa einer halben Milliarde Euro – etwa drei Stunden Arbeit bei Amazon. Das macht 5.000 Euro pro Kopf im Jahr.
Durch den Verkauf von Bananen, Kartoffeln und ein paar anderen Naturprodukten kann man eben keine großen Sprünge finanzieren – abgesehen davon, dass Springen für Tongaer wegen deren Hang zur Gravitation sowieso nicht infrage kommt.
Einige kennen Tonga als Geburtsort der besten Rugby-Spieler der Welt wie etwa Saimone Taumoepeau, der jetzt für Frankreich spielt. Viele dieser Spieler wandern über Neuseelands All Blacks in die Welt. Auch Jonah Lomu, der vermutlich beste Rugby-Spieler aller Zeiten, hat Tonga-Wurzeln (Film).
Unser Tonga-Trip
Eins der Dinge, die ich besonders an Singapur mag ist der Fakt, dass wir keine Waffen exportieren, sondern Bildung.
So werden Regierungsmitglieder von Entwicklungsländern nach Singapur eingeladen, wobei Ausbildung, Unterkunft und Verpflegung von Singapur finanziert werden.
Wir bestreiten oft diese Ausbildung. Das ist ein unglaublich dankbarer Job, weil wir über kurz oder lang immer irgendwelche Ergebnisse unserer Arbeit sehen können.
So hatten wir vor einigen Jahren in einem unserer Jobs für das Außenministerium in Singapur eine nette Dame aus Tonga sitzen. Sie war und ist die Chefin der Ministerien im Inselstaat und für deren Weiterbildung zuständig. Sie fand offensichtlich unser Programm sehr ansprechend und bat uns, dieses in Tonga für die Chefs aller Ministerien durchzuführen.
Unser Trip nach Tonga war wie ein Ausflug in eine andere Welt (hier mehr dazu).
Tonga und der Vulkan
Während unseres zweiwöchigen Ausflugs nach Tonga konnten wir feststellen, dass Tonga eigentlich keinen Schutz gegen zerstörende Tsunamis wie die nach dem Ausbruch eines Unterwasservulkans am 15. Januar 2022 bietet. Tonga liegt ungeschützt im Südpazifik. Da gibt es keine Nachbarinseln, die vielleicht den Tsunami abprallen lassen könnten. Und es gibt auch kaum Hügel, die Schutz vor der 3m Flutwelle bieten würden.
Unser kleines – und wahrscheinlich bestes und einziges? – Hotel Little Italy (Klein-Italien) liegt nur geringfügig höher als der Meeresspiegel.
Wir hatten den Eindruck, dass die häufig vorbeischwimmenden Wale vermutlich das Wasser in den Speiseraum spülen würden. Der Tsunami hat sicher das Untergeschoß verwüstet.
Unweit des Hotels thront der Königspalast, an dem wir für zwei Wochen vom Hotel zum Regierungsgebäude vorbeimarschieren durften. Der Königspalast ist praktisch ungeschützt gegen Pazifikwasser. Selbst in Peru wurden durch die Flutwelle Menschen getötet (hier mehr). Und das liegt nicht um die Ecke, sondern 10.000km entfernt.
Es heißt, dass der König Tupou in Sicherheit sei.
Im Moment gibt es kaum Nachrichten aus Tonga, da alle Verbindungen unterbrochen sind. Die Unterseekabel sind wohl aufgetrennt, so dass unsere Emails auch noch nicht bei unseren Freunden ankommen konnten. Es heißt, dass es den Menschen einigermaßen geht. Trinkwasser wird sicher bald von Neuseeland eingeflogen.
Da liegt das nächste Problem: Der Flughafen ist wahrscheinlich von Vulkanasche bedeckt und lahmgelegt.
Auf Tonga mit seinen 169 Inseln hat es über die vergangenen Tage Vulkanasche geregnet. Nur zur Erinnerung: Als das im Jahre 79 nahe Neapel passierte, wurden alle Menschen in Pompei und einigen anderen Dörfern unter 2m heißer Asche aus dem Vesuv begraben. Es sieht so aus, als ob dies den Tongaern erspart geblieben wäre. Sicher bin ich da nicht wirklich.
Tonga braucht Hilfe
Wie gesagt, Tonga hat uns fasziniert. Die Menschen beschreiben wir regelmäßig als die nettesten, freundlichsten auf diesem Planeten – und das sagt jemand, der Asiaten kennt. Uns verbindet einiges mit dem Inselvolk. Der junge Bursche, der uns für zwei Wochen durch Tonga geführt und kutschiert hatte, ist mittlerweile verheiratet und hat zwei Kinder. Wir sind immer noch in Kontakt mit ihm und einigen anderen.
Umso mehr hat uns die Nachricht über den Vulkanausbruch geschockt. Bezeichnenderweise war die Nachricht recht unauffällig unter einem Großbild von einem arroganten Tenniskasper versteckt.
In Tonga hat es gerade den größten Vulkanausbruch der letzten 30 Jahre weltweit gegeben. Sogar im 2.600km entfernten Neuseeland konnte das Grummeln des Vulkans Hunga Tonga-Hunga Haʻapai vernommen werden. Einige US Amerikaner sollen es auch gehört haben. Tsunami-Warnungen wurden bis nach Alaska und Japan ausgegeben. Dieses Ereignis ist ungleich wichtiger, als ein paar Corona-Demos … und so sollten wir es betrachten.
Von Zeit zu Zeit sollten wir uns daran erinnern, wie gut es uns geht. Die große Mehrzahl der Menschen auf diesem Planeten ist weniger gut aufgehoben. Die verdienen unseren Respekt und brauchen unsere Hilfe.