Peking: Mehr als nur Pekingente und verbotene Stadt
Peking, eine Stadt so groß wie Thüringen, beherbergt rund 22 Millionen Menschen – mehr als die gesamte DDR! Wer erinnert sich noch an die gute alte Zeit?
Ein wesentlicher Unterschied zur DDR fällt sofort ins Auge: In Peking sind die Chinesen deutlich in der Überzahl. Bei meiner ersten Ankunft in Peking, gefühlt vor einer Ewigkeit, präsentierte sich die Stadt als staubiges Grau, die Menschen trugen graue Kleidung, und die Straßen waren von Fahrrädern bevölkert. Die wenigen Autos schienen direkt aus der Zeit Maos zu stammen.
Vom Fahrrad zum Ferrari: Pekings rasante Transformation
Heute sieht das anders aus. Die Stadt ist pieksauber, die Menschen sind farbenfroh und oftmals edel gekleidet. An den Straßenecken siehst Du viele alte Fahrräder, die offensichtlich von den Neureichen auf dem Weg zum Autohändler weggeworfen worden sind, bevor sie sich einen Porsche oder Lamborghini gekauft haben.
Jetzt, da die Amerikaner am Hungertuch nagen, ist China der größte Markt für Ferrari und Co. Deutschland kann da schon lange nicht mehr mitspielen. Auf der Straße in Peking habe ich in nur einer Stunde mehr edle Autos betrachten können, als an einem ganzen Tag in Köln.
Wüstenwinde und grüne Wunder
Peking ist auf einer geographischen Breite südlich von Neapel, erfährt allerdings starken Einfluss der Wüste Gobi auf das Klima. Das heißt, dass der Sommer sehr heiß und der Winter auch schon mal kälter als der deutsche sein kann.
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In Peking gibt es jedes Jahr mehrmals Alarm wegen drohender Atemprobleme, wenn ein Sandsturm Wüstensand über die Stadt ergießt. Dieses Problem betrifft hauptsächlich den Norden, wo die Grenzen zu den chinesischen Wüsten liegen.
Durch das Wachstum der Wüste verliert China jedes Jahr 2.500 km² Fläche (etwa die Fläche des Saarlands). 100 Millionen Menschen werden davon bedroht.
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Die Durchschnittstemperatur in Peking ist durch die Wüstenhitze bereits um einige Grad Celsius gestiegen. Auch Japan, Nord- und Südkorea leiden unter den Sandstürmen aus China, denn sie führen in jenen Ländern zu braunem Regen und zu verstopften Flüssen.
Die Chinesen nennen die Sandstürme poetisch “gelbe Drachen” – was nett klingt, bis einem dieser Drache Sand ins Frühstück pustet. Diese Stürme sind so heftig, dass sie Staub bis zur Westküste der USA schicken – quasi ein transkontinentales Sandkasten-Projekt.
Die Grüne Minimauer
In den 2000er Jahren hatte ich bei einer Singapur-Firma in Tianjin zu tun. Tianjin ist eine weniger bekannte nordchinesische Hafenmetropole mit etwa 13 Mio Einwohnern und liegt etwa 120km entfernt von Peking.
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Zu Beginn meiner Tätigkeit in Tianjin wurde mir mitgeteilt, dass ich doch bitte nach Peking fliegen sollte, da es in Tianjin keine ansprechenden Hotels gäbe. So wurde ich in einem noblen Hotel in Peking untergebracht mit dem Ergebnis, dass ich über mehrere Monate für jeweils eine Woche täglich 120km zwischen Peking und Tianjin pendeln durfte.
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Während meines ersten Besuchs bei Alstom in Tianjin war die neue Autobahn auf mehr als 100 Kilometern zwischen Peking und Tianjin kahl und öde. Beim dritten Besuch, nur zwei Monate später, stand da plötzlich eine Baumparade auf dem Mittelstreifen – sechs Reihen, gegen zwei Meter hoch, über 100 Kilometer lang! Wahrscheinlich hatte David Copperfield hier seine Hände im Spiel. Unglaublich!
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In Deutschland würde sich immer jemand finden, der den Ausbau der Autobahn beispielsweise wegen einer Population seltener Frösche verhindern oder das Pflanzen der Bäume wegen der Reduzierung des freien Luftzugs abwürgen würde.
Während andere diskutieren, handeln die Chinesen.
Nicht so in China. Wenn man eine Notwendigkeit sieht, wird gehandelt. Und natürlich gibt es negative Nebeneffekte. Aber daran wird ebenso gearbeitet.
Die Große Grüne Mauer
Allerdings ist dieser bewaldete Autobahnmittelstreifen eine Kleiningkeit verglichen mit Chinas Wüstenschutzprogramm.
Immer wieder wird berichtet, dass sich die Wüsten auf unserem Planeten weiter ausbreiten. In etwa hundert Jahren hat sich die Sahara 10% mehr Land einverleibt. Das klingt nicht viel, macht aber bei der Größe der Sahara eine Fläche von knapp dreimal Deutschland aus.
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Ähnlich steht es um die Wüste Gobi, die sich über weite Teile der Mongolei und Chinas erstreckt. Wann immer ich solche Berichte lese, frage ich mich eine kindliche Frage: Warum pflanzt man nicht einfach etwas an? Klingt blöd, oder?
Offensichtlich ist das eine nicht ganz so dumme Frage, die sich die Chinesen vor langer Zeit auch gestellt haben.
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Seit 1978 läuft in China das größte Aufforstungsprogramm seit Menschengedenken. Dieses bis etwa 2050 geplante Vorhaben hat zum Ziel, große Teile der Wüste Gobi zu begrünen.
Über eine Strecke von über 4500km werden auf einer Breite von mehreren 100km Bäume, Büsche und Gräser angepflanzt (Video in deutsch).
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Stell Dir vor, die Chinesen begrünen einen Teil der Wüsten Gobi und Taklamakan auf einer Fläche größer als Deutschland! Das sind etwa 380 Tausend Quadratkilometer, die entlang der Chinesischen Mauer verlaufen und damit dem Projekt den Namen gegeben haben – Große Grüne Mauer.
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Wie ist der Stand?
Bisher wurden in 13 Provinzen Schutzwälder angelegt. Sie bedecken bereits eine Fläche von 220.000 Quadratkilometern. Das entspricht etwa der Fläche Großbritanniens.
In einigen Regionen waren die Aufforstungsarbeiten bereits erfolgreich. Ausgetrocknete Gegenden, in denen die Bewohner in der Vergangenheit ihre Häuser täglich vom Sand befreien mussten, bleiben bewohnbar, die Wirkung der Sandstürme in diesen Regionen ging zurück (Video in deutsch).
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Bisher gepflanzte Wälder haben den Sandtransport der Stürme schon um 200 Mio. Tonnen pro Jahr verringert. Seit den 1990er Jahren hat sich Chinas Waldfläche fast verdoppelt (mehr auf Wikipedia).
China verfügt insgesamt über 1.750.000 Quadratkilometer Wald (Stand 2008) und damit über die größten wieder aufgeforsteten Waldgebiete der Welt. Seit 1978 wurden hierfür über 60 Milliarden Bäume gepflanzt (Stand 2016).
Zum Vergleich: In den deutschen Wäldern stehen circa 90 Milliarden Bäume (Quelle).
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Fortschritte sind nicht nur in der Wiederaufforstung zu verzeichnen. Auch die Forstwissenschaft hat profitiert und profitiert noch. Es gibt ganz wenige Pflanzen, die von Natur aus wenig Durst haben. Werden nur diese Pflanzen verwendet, entsteht eine sehr anfällige Monokultur.
Daher wurden in speziellen Forschungseinrichtungen Pflanzen gezüchtet, die mit den harten Wüstenbedingungen besser umgehen können. So zum Beispiel gibt es Bäume, die mit bis zu 80 Meter langen Wurzeln nach Wasser suchen.
Heute gibt es in der Wüste Mischwälder, die eine höhere Überlebenschance haben.
Um Bauern für die Ansiedlung entlang der Wüste zu interessieren, wurde ihnen Land angeboten, auf denen sie pflanzen und ernten und damit auch ein Einkommen erzeugen können – neben dem Nutzen für die Umwelt (mehr hier).
Nebenbei: Nach dem chinesischen Vorbild entsteht eine Große Grüne Mauer entlang der Sahara in Afrika (Wikipedia).
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Fazit
Die Große Grüne Mauer ist ein beeindruckendes Beispiel dafür, was Menschen erreichen können, wenn sie zusammenarbeiten. Es zeigt, dass selbst die größten Herausforderungen mit Kreativität und Entschlossenheit gemeistert werden können.
Und wer weiß, vielleicht können wir uns in Zukunft alle an einem grünen Gürtel erfreuen, der die Wüsten dieser Welt zähmt.
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Zusätzliche Fakten
- Die Chinesen setzen für die Große grüne Mauer auch Drohnen ein, die Baumsaamen aus der Luft pflanzen. Hightech-Forstarbeit!
- Einige der gepflanzten Bäume und Sträucher sind essbar und dienen als zusätzliche Einkommensquelle für die lokale Bevölkerung. So wird Umweltschutz zum Wirtschaftsfaktor.
- Millionen von Menschen, von Schulkindern bis zu Rentnern, werden jedes Jahr mobilisiert, um Bäume zu pflanzen. Es ist fast wie eine jährliche “Pflanz-Olympiade“! Man könnte sagen, dass die Chinesen eine “Pflanz-Armee” haben, die gegen die Wüste kämpft.
- In einigen Gebieten werden Solarparks errichtet, die nicht nur Strom erzeugen, sondern auch Schatten spenden und die Bodentemperatur senken. So entstehen “Solar-Oasen“, die das Wachstum von Pflanzen fördern.
- Durch die Bepflanzung blühen nun viele Pflanzen in der Wüste. Das lockt Bienen an, und es entstehen neue Arbeitsplätze für “Wüsten-Imker“, die Honig produzieren.
- Die große Menge an Bäumen, die gepflanzt werden, haben auch einen sehr wichtigen Nebeneffekt. Sie wirken wie eine riesige Klimaanlage. Die Bäume sorgen für eine Abkühlung der Region, und verbessern das Lokale Klima.
- Durch die neu geschaffenen Lebensräume kehren auch Tiere zurück, die zuvor aus der Region verschwunden waren. So wird die Wüste nicht nur grüner, sondern auch lebendiger.
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Randbemerkung: Ein grünes Wunder im Schatten der Schlagzeilen
Seit ich vor einigen Tagen auf die Große Grüne Mauer aufmerksam wurde, bin ich zutiefst beeindruckt. In einer Zeit, in der wir uns mit Mondlandungen, Marsmissionen, Hightech-Autos, Robotern und künstlicher Intelligenz brüsten, sollten wir uns wieder auf das Wesentliche besinnen.
Wir schicken Menschen zum Mond – ob Armstrong nun wirklich da war oder nicht – und planen Reisen zum Mars. Spektakuläre Unternehmungen, die zweifellos den Horizont der Menschheit erweitern. Doch seit Neil Armstrong seine berühmten Schritte auf dem Mond tat, hat sich das Leben auf der Erde für die meisten Menschen nicht verändert. Es gab einen riesigen Medienrummel, der die Welt in Atem hielt, doch die Auswirkungen auf den Alltag waren unbedeutend.
Im Gegensatz dazu stehen die Große Grüne Mauern in China und in Afrika. Diese Projekte retten Leben, verbessern die Lebensbedingungen von Millionen Menschen und bekämpfen die fortschreitende Wüstenbildung – eine der größten Bedrohungen unserer Zeit. In Afrika werden durch die Große Grüne Mauer nicht nur neue Lebensgrundlagen geschaffen, sondern auch die Hoffnung auf eine bessere Zukunft in einer der ärmsten Regionen der Welt gestärkt.
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Und doch: Während Mondlandungen und Marsmissionen weltweit Schlagzeilen machen, bleibt die Große Grüne Mauer weitgehend im Schatten der medialen Aufmerksamkeit. Ein gigantisches Unterfangen, das die Zukunft unseres Planeten maßgeblich beeinflusst, erhält nicht annähernd die Anerkennung, die ihm gebührt.
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Es ist an der Zeit, dass wir unsere Prioritäten überdenken. Wir sollten die Errungenschaften von Wissenschaft und Technologie feiern, aber wir dürfen nicht vergessen, dass die größten Herausforderungen unserer Zeit oft auf der Erde selbst liegen. Die Große Grüne Mauer ist ein Beweis dafür, dass wir mit Entschlossenheit und Zusammenarbeit selbst die größten Probleme lösen können.