Vor kurzem hatte ich einen Tag „Einführung in die Datenanalyse” an einer unserer Universitäten zu bestreiten. Nun war mein Programm nicht gerade leicht zu verdauen. Datenanalyse kommt nun mal nicht ohne Statistik aus. Dazu kommt, dass wir in der Einladung Excel-Kenntnisse und eine „Neigung zur Mathematik“ gefordert hatten. Dabei müssen die Teilnehmer nicht persönlich mit Gauss befreundet sein. Sie sollten aber schon einmal von ihm gehört haben. Demzufolge war ich doch etwas verwundert über die Nachricht von meinen Freunden an der Uni, dass deren Computerraum mit 30 Mac bis zum letzten Platz besetzt sein würde. Toll!?
Als ich am Morgen den Computerraum betrat, saßen Teilnehmer aus Unternehmen aller Größen und auch einige Selbständige und Hausfrauen vor mir. Die Mehrzahl der Teilnehmer war nicht gerade taufrisch. Mehr als die Hälfte hatte schon vor längerer Zeit Altersbergfest gehabt. Nach deutschem Standard stehen einige von ihnen ganz offensichtlich vor der Schallmauer zur Rente oder haben die schon durchbrochen. Wieso also der Drang nach Ausbildung? Sollte das nicht den Kindern und Enkeln überlassen bleiben?
Am Telefon mit einer Freundin in Deutschland bekam ich vor Kurzem die Antwort „Ich kenne mich mit meinem Handy noch nicht so gut aus“, als ich ihr etwas über WhatsApp schicken wollte. Als Email-Adresse bekomme ich auch heute noch die der Tochter. Ganz gut kann ich mir ihre Reaktion vorstellen, wenn ich sie zu einem Datenanalyse-Tag einladen würde. Ich beschreib das besser nicht.
Wieso also sitze ich dann in Singapur in einem Raum voller „ganz normaler Mitbürger“, wovon einige wesentlich älter als ich sein sollten, obwohl der Preis von etwa 600 Euro nicht gerade niedrig ist für einen Tag?
Das ist eben Singapur.
Wir haben eine alternde Bevölkerung – wie Japan, Deutschland und viele andere Nationen auch. Und die Anzahl der Jüngeren nimmt immer noch ab. Jedes Jahr werden ein paar Schulen geschlossen. (Im nächsten Jahr wahrscheinlich nicht, da dann die Drachengeborenen das Schulalter erreichen.) Und in Singapur gibt es kein Hartz IV. (Hier gibt es überhaupt kein Gebirge.) Es ist recht schwer, Geld zu „verdienen“, ohne zu arbeiten. Die erste Pflicht eines jeden Singapurers ist es, sich lebenslang weiterzubilden, um lebenslang interessant für Arbeitgeber zu sein. Gerade in der heutigen, sehr dynamischen Zeit ist das vor dreißig Jahren Gelernte nicht mehr viel wert.
Von einem Arbeitsamt habe ich in Singapur noch nie gehört. Wohl aber von einem Amt mit der Bezeichnung „Skills Singapore“ (SSG), was so etwas wie „Fähigkeiten Singapur“ bedeutet. Dieses Amt beschäftigt sich mit der Analyse des wirtschaftlichen Umfelds und der zukünftig gebrauchten Jobs und leitet daraus ab, welche Fähigkeiten entwickelt werden müssen. Milliarden werden in die Weiterbildung der Bevölkerung gepumpt, um für die Jobs der Zukunft die richtigen Arbeitskräfte bereitzustellen.
Niemand wird gezwungen, an diesen Programmen teilzunehmen. Allerdings schreiben sich Singapurer für die Weiterbildung ein, um eben diese lebenslängliche Attraktivität für die Arbeitgeber zu behalten. Und SSG macht die Teilnahme durch imposante Förderung sehr interessant.
Diese Förderung bringt den Preis für unseren Datenanalyse-Tag inclusive voller Verpflegung auf weniger als 70 Euro für Teilnehmer über 40. Wer kann da nein sagen?