Eine Woche in HuiZhou

Eine Woche in HuiZhou

Wieder einmal sitze ich auf einem Flughafen in China. Heute ist es Shenzhen, eine kleine Grossstadt (ich schaetze 8 Millionen) im Sueden von China, direkt neben HongKong. Hier gibt es einen Grenzuebergang von einem der reichsten Flecken der Welt, HongKong, nach Shenzhen im immer noch sehr armen China. Wegen dieser krassen Gegensatzes hat der Grosse Deng XiaoPing ende der siebziger Jahre beschlossen, eine besondere Wirtschaftszone einzurichten, um den Kapitalismus im Kommunismus zu testen. Es wurde um Shenzhen eine Grenze errichtet – wie etwa zwischen Ost und West in Deutschland, aber ohne Schiessbefehl – und es wurden internationale Firmen ins Land geholt. 

Hier findet man alle, von AEG bis Siemens, von GE bis Motorola. Spaeter, nachdem die Chinesen den Fuererschein machen konnten, wurden hier auch einige Autos von Japanischen Firmen gebaut. Hier gibt es alles, was man in einer westlichen Grossstadt vermutet. Sogar ein Freizeitpark “Window of the World” mit Attraktionen wie Eiffelturm, Freiheitsstatue, Pyramiden wurde hier gebaut. Der hat eine etwa 200m lange Indoor-Skianlage.

Allerdings hat sich diese besondere Wirtschaftzone nach dem Wegfall der internen Mauer und dem Einzug der kontrollierten Marktwirtschaft in ganz China etwas zurueckgebildet. Arbeitskraefte hier wurden zu teuer, weshalb viele Firmen nach Shanghai, Beijing und in andere Gebiete auswichen. Heute ist es sehr unkompliziert, von hier nach HongKong einzureisen. Ein paar Minuten – erledigt. Das habe ich schon sehr oft testen duerfen.

Der Flughafen ist ziemlich neu. Zwei riesige Terminals fuer China-Fluege und ein winzig kleines fuer internationale Verbindungen, das wohl die Groesse von zweimal Erfurt haben koennte. Ich sitze gerade in diesem kleinen auf dem Weg nach Singapore und geniesse die Aussicht.

Kein Meerblick oder so. Dafuer gibt es hier viele top-gebaute und sehr elegant gekleidete Chinesinnen auf dem Weg zum Flieger. Wegen der internationalen Verbindungen haben die Damen wohl noch eine extra Mark in Garderobe und eine zusaetzliche Stunde vorm Spiegel investiert. Die schwarzen Haare sind perfekt hochgesteckt, manchmal mit suessen kleinen Staebchen als Verzierung. Die Schminke betont auf sehr elegante Weise die asiatische Abstammung. Die Taille ist bei Chinesinnen immer sehr gut sichtbar. Die Roecke sind oft ziemlich kurz auf mehr oder weniger langen und meist schlanken und wohlgeformten Beinen, die ausschliesslich in hochhackigen Killer-Schuhen enden. Der geuebte Beobachter erkennt auch leicht die anderen, fast unsichtbaren Kleidungsstuecke, die das Gesamtbild vervollstaendigen. Jede Wette, das diese Kleidung nicht so teuer ist, wie wir das gewoehnt sind. Aber sie zeigt eben Geschmack und macht was her. Ich bin zwar kein Stalker, aber etwas Interesse im anderen Geschlecht muss ich zugeben. Das ist ja nicht zwangslaeufig schlecht, oder? Uuups, da hat eben ein westliches Ehepaar die Sonne verdeckt. Amerikaner?

Jetzt sitze ich in meiner Lounge, habe etwas Kokosmilch umd einige leichte Speisen. Kann kein Eis finden. Sch…Nachdem ich ueber die Weihnachtsfeiertage etwas deprimiert auf das Neue Jahr mit lausigen wirtschaftlichen Daten gewartet habe, geht es mir jetzt wesentlich besser. Gerade eben habe ich einen Job in HuiZhou erledigt, naechste Woche starten wir bei SingTel (Singapore Telekom) und unterzeichnen Schenker und noch einen Job in der Regierung. Daneben arbeiten wir an einem fast fertigen Vertrag mit TUV Rheinland in China, der einige Jobs bringen sollte. Auch Bosch Siemens hat sich schon zurueck gemeldet. Wenn das so weitergeht, wird das schlechte Jahr fuer die Welt das gute Jahr fuer uns. Schaun mer mal. Eigentlich dachte ich, wenn das Geschaeft in diesem Jahr wirklich so schlecht wird, gehe ich endlich an meine naechsten zwei Vorhaben: Chinesisch salongfaehig machen und ein Buch schreiben. Es sieht wohl im Moment etwas schlecht aus fuer die Sprache. Schaun mer auch mal.

Morgen werde ich Gott-sei-Dank wieder neben dem Park aufwachen und etwas joggen gehen. Nachdem wir eigentlich immer ziemlich gute Hotels bekommen, habe ich diese Woche im Wohnheim meines Kunden geschlafen, damit wir etwas Geld sparen. Das ist nicht genau wie ein Hotel. Das Gute zuerst: es gibt ein Bett, einen Fernseher, einen Schreibtisch mit LAN sowie Dusche. Allerdings ist das Bett recht hart. Beim ersten Besuch in diesem Wohnheim habe ich den Bettbezug hoch gehoben und geprueft, ob da vielleicht ein Brett drunter ist. Die Matratze ist so dick wie eine normale, allerdings so hart wie ein Brett. Ein Klopfen auf die Matratze bringt ein Geraeusch hervor wie ein Trommeln auf Eurer Schrankwand. Damals dachte ich noch, dass ich vielleicht das falsche Zimmer erwischt habe (obwohl die sich eigentlich immer sehr gut um mich kuemmern). Nach dem dritten Mal weiss ich, dass alle Zimmer so sind. Das ist Standard – kein niedriger Standard, sondern ein gesunder Standard – sagen Chinesen. Habe mir eine zweite Zudecke kommen lassen, auf der ich jetzt schlafe, damit es nicht so hoelzern klingt, wenn ich mich wende. Allerdings passt dieses Bett nicht zur Figur vieler Chinesen. Etwas Fett waere sicher sehr hilfreich beim Abfedern des Skeletts.

Der Fernseher hat 10 Programme: CCTV1 bis CCTV10, das ist das Centralchinesische Fernsehen. Komischerweise bringen die nie etwas auf Deutsch und nur selten Englisch. Daher habe ich immer viiiiel Zeit. Eine Minibar gibt es nicht. Nebenan gibt es einen Supermarkt. Der Besuch im Supermarkt ist immer ein Erlebnis. Wenn ich eintrete, beginnt das Spektakel. Wenn ich gehe, endet es. Da sich das alles in einem Industriegebiet abspielt, ist man noch nicht so sehr an einkaufende Langnasen gewoehnt. Manchmal fuehle ich mich wie der Rattenfaenger von Hameln – mit 5 bis 10 kleinen Kindern auf meinen Fersen, die mich besichtigen, wie Du eine gruene Kuh anschauen wuerdest. Beim ersten Mal hab ich mich total unsicher gefuehlt und vorsichtig mein Gesicht betatscht, um herauszufinden, ob ich vielleicht – wie Loriot – eine Nudel ueber dem Auge haengen habe. Da war keine Nudel. Alles ganz normal – fuer meine Verhaeltnisse. Also tut man so, als ob nichts waere. Wenn ich dann etwas in Chinesisch frage, ist die Sensation perfekt. ((Kleiner Tip: Wenn Du Dich mal Scheisse fuehlst, vergessen von Deinen Mitmenschen und verlassen von Deinen Freunden, geh nach HuiZhou und hol Dir einen Schub Selbstbewusstsein und etwas ich-bin-der-Mittelpunkt-der-Welt-Gefuehl)).

Sitze jetzt im Flieger. Vor ein paar Wochen hatte ich ein ziemlich schlechtes Erlebnis im Flieger: Wir hatten so starke Turbulenzen fuer mehrere Stunden, dass die Stewardessen fast durchweg an ihre Sitze gefesselt waren. Ich dachte, ich waere schon einiges gewoehnt. Diese Art Flug war ziemlich neu fuer mich. Regelmaessig habe ich mich dabei erwischt, wie ich bei einem neuen Abtauchen zwischen den Wolken meine Haende in die Armstuetze gekrallt habe. Du kennst das Gefuehl auf der Achterbahn waehrend eines freien Falles? Das ist etwa so. Mit einem Unterschied: im Flieger siehst Du nicht, wann der naechste Sturz ins Bodenlose kommt.

Im Flieger ist es heute sehr angenehm, keine Achterbahn, gesalzene gemischte Nuesse und nette Stewardessen. Ueber die Stwardessen werde ich nicht berichten. Andernfalls bekomme ich noch Aerger mit Euch. Nur ein kurzer Eindruck: die wiegen nur halb so viel wie die in American Airlines, sind halb so alt wie die in KLM und laecheln doppelt so oft wie die in der Lufthansa.

Die heutige Fahrt mit dem Taxi zum Flughafen ueber etwa 90 Minuten war sehr langweilig und bitterkalt. Wieso? Draussen ist es um die 22 Grad. Daher wirft man schon die Klimaanlage an. Mein Fahrer wollte wohl etwas gutmachen. Seine Klimaanlage war beim Abholen letzte Woche nicht voll funktionstuechtig. Er musste nach jeweils 20km anhalten und an irgendetwas unter der Motorhaube klopfen. Nach etwa zehnmal Klopfen letzte Woche und nach meiner Beschwerde haben die wohl die Klimaanlage repariert. Irgendwie haben die vergessen, die Regelung dazwischen zu schalten. Heute morgen hatten wir deshalb arktischen Winter im Auto, so dass ich sogar mit Strickjacke etwas unterkuehlt war. Wenn ich mich richtig erinnere, hatten wir wieder beschlagene Scheiben – von aussen.

Soviel zum Chinatrip, der gerade eben wieder sehr wakelig wird. Falls Ihr das Mail irgendwann lesen koennt, habe ich es lebend ueberstanden.

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Bier aus China

Heute trinken wir und unsere Schwiegersöhne sehr gerne Tsingtao. Tsingtao ist von deutschen Einwanderern zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Osten von China gegründet worden und heißt so viel wie grüne Insel. Die ersten Direktoren und Braumeister waren vor hundert Jahren durchweg Deutsche, die nach dem Reinheitsgebot von 1516 gebraut haben. Das chinesische Bier stand damals und steht auch heute noch international ganz gut da. Weil die Chinesen nicht die großen Biertrinker sind, wurde schon kurz nach der Gründung auf Export orientiert. Als Ergebnis kann ich in Singapur viele unterschiedliche Tsingtao-Biere kaufen. Wahrscheinlich gibt es das Tsingtao auch in Europa…

Auf dem Dach der Welt

Nach der Ankunft in Lhasa am Abend und einer Nacht ohne Schlaf auf etwa 3650 Metern machen wir uns auf zum Potala-Palast. Unser Körper ist aufgrund des Sauerstoffmangels unglaublich schlapp. Die Nacht haben wir mit Knabbereien und viel Wasser bei Kopfschmerz und Übelkeit verbracht.

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