Beim Eintreffen auf dem internationalen Flughafen von Vientiane, der Hauptstadt der Demokratischen Volksrepublic Laos, einem der vier letzten sozialistischen Staaten mit etwa sechs Millionen Einwohnern und einem Bruttosozialprodukt von weniger als dem Gewinn von VW, sehen wir wieder einmal, wie gut kleine Flughäfen funktionieren. Nur ein kurzer Weg vom Flieger zur Passkontrolle, Visa on Arrival ist zu schnell, um es beschreiben zu können und Gepäckausgabe geht ebenfalls sehr rasch.
Kein Wunder. Die Jungs, die die Gepäckstücke vom Flieger zum Laufband tragen, haben sich sicher mehrere Stunden – seit dem letzten ankommenden Flieger – auf diesen Moment vorbereitet. Nach der Anzahl der Flieger auf dem Flughafen zu urteilen (da steht nur unserer) besteht die Möglichkeit, dass die Jungs inzwischen vergessen haben, wie das geht. Dem ist nicht so. Alles klappt reibungslos. Ich schätze, der gesamte Flughafen von Vientiane findet in Halle A in Frankfurt Platz. Das Ergebnis ist, dass Du in der Regel auf dem Frankfurter Flughafen einen Führer brauchst. In Vientiane nicht.
Als wir die Ankunftshalle betreten, steht da schon jemand mit unseren Namen auf einem Schild, der uns zum Wagen bringt. Toll. Im Toyota-Kleinbus gibt er uns das Passwort für sein Auto-Wifi. Genial.
All das klappt mit einem Lächeln. Der Verkehr ist ähnlich. Im Gegensatz zu Singapur und anderen Ländern in Asien sind die Laoten sehr höflich und zuvorkommend. Während Singapurer immer auf ihr Recht pochen, sind die Laoten mehr an einem netten Miteinander interessiert. In Singapur werden nur sehr wenige Fahrer den Wagen stoppen, um Fußgänger oder Autos aus einer Seitenstraße passieren zu lassen. Wenn das doch jemand machen sollte, würde er für seine Dummheit mit einem Hupkonzert bestraft. Auf der kurzen Strecke vom Flughafen zum Hotel stoppt unser Fahrer ein paarmal, um genau diese Dummheit zu begehen. Beschämt stelle ich fest, dass ich weniger höflich wäre.
Wir wohnen in einem kleinen Boutiquehotel direkt am Mekong, dem viertgrößten Fluss Asiens. Auf der anderen Seite des Flusses liegt Thailand. Die Abende verbringen wir oft bei einem Glas Rotwein am Mekong sitzend, während wir guter Musik lauschen. Dass die Musik von einer offensichtlich überlauten Disko von Thailand über den Fluss schallt, stört dabei nicht.
Das Shoppen in Vientiane ist sehr angenehm. Während Dir in anderen Ländern ständig jemand auf den Fersen ist, der Dir etwas verkaufen will, kommen die gutaussehenden Damen in den laotischen Shopping-Zentren nur auf Dich zu, wenn Du sichtlich Hilfe brauchst. Die brauchst Du aber nicht, da die Shopping-Zentren nur unwesentlich größer sind, als der gute alte Konsum um die Ecke aus früheren Zeiten.
Interessanterweise werden Dinge angeboten, die eigentlich noch garnicht hier sein können. So etwa ein deutsches Fußball-Nationalmannschaftstrikot mit vier Sternen. Das kannst Du für EUR 6 mitnehmen. Daran erkenne ich mal wieder, wie wir von den Nachfahren von Adolf Dasslers Schuhfabrik über den Tisch gezogen werden. Die in Deutschland erhältlichen Trikots werden sicher auch in Bangladesh, China oder eben Laos produziert, wo der Tageslohn um einen Euro liegt. In einem anderen Geschäft bestaunen wir DVDs von Filmen, die zu Hause gerade erst auf der Leinwand laufen. In Singapur sind wir demnach ziemlich hinter dem Mond.
„Tuck tuck“, ruft mich jemand. Dann noch einmal „tuck tuck“. Bevor ich ihm mitteilen kann, dass mein Name nicht Tuck Tuck, sondern Uwe ist, verstehe ich auch schon. Er will uns seinen Dienst anbieten, indem er uns sein Tuck Tuck als Taxi für eine Rundfahrt offeriert. Das Tuck Tuck zu beschreiben ist nicht leicht. Es ist von vorne Motorrad mit Platz für den Fahrer und von hinten ein aus verchromten Metallteilen oder aus Holzlatten gezimmerter Kastenwagen mit Sitzplätzen, auf denen je nach „Modell“ bis zu vier Personen oder eben zwei Amerikaner Platz finden. Der winzige Motor bewegt das Gefährt immerhin. Viel wichtiger scheint die Stereoanlage zu sein, deren Verstärker oftmals die Leistung des Motors in den Schatten stellt. Bremsen sollen auch dran sein. Airbags passen nicht auf den Motorradlenker und Gurte werden aus Gründen der Gewichtsreduzierung eingespart. ABS, EBA, ESC und IPAS sind wahrscheinlich so klein, dass sie unsichtbar ihren Dienst verrichten. Die Fahrpreise sind angemessen. Klimaanlage gibt es nicht. Die macht auch keinen Sinn, da Du eigentlich im Freien sitzt. Das fördert die Verbundenheit mit der Natur und mit anderen Verkehrsteilnehmern … und deren Hinterlassenschaften.
Der Automarkt ist fest in der Hand von Toyota, Kia und Hyundai. Nur auf der Feier zum 49. Geburtstag Singapurs, zu dem wir in unsere Botschaft gebeten werden, treffen wir Mitarbeiter anderer Botschaften, die natürlich in deutschen Nobelkarossen vorfahren. Volkswagen kennt hier keiner.
Vientiane hat an der Westküste eine funkelnagelneue Strandpromenade, die eine Straße, einen Wanderweg und einen Park beherbergt und mindestens vier Kilometer lang ist. Diese Promenade wurde nicht aus Spaß gebaut, sondern um die Innenstadt vor dem Mekong zu schützen. Oder umgekehrt. Sie ist in erster Linie Deich. Zufällig sehen wir auf dem Deich ein Schild, dass auf die Finanzierung hinweist: Koreanische Entwicklungsbank. Nun ist auch klar, weswegen Kia und Hyunday die Straßen beherrschen. Viele andere Projekte sind von Chinesen gebaut worden, was denen natürlich ebenfalls den Zugang zum Markt Laos eröffnet. Da Singapur weder Autos noch Kraftwerke baut, bringen wir eben im Auftrag unserer Regierung „Wissen“ nach Laos, was hier sehr bereitwillig aufgesogen wird. Bemerkenswert an der Promenade ist, dass dort laotische und Hammer-und-Sichel-Flaggen hoch fliegen. Sicher hatte man in Russland für Hammer und Sichel keine Verwendung mehr, so dass diese Flaggen nach Laos verschickt wurden.
In Vientiane gibt es mehr Tempel als Wohnhäuser. Wir wollen zur Statue von König Fa Ngum laufen, der Laos vor etwas weniger als 700 Jahren gegründet hat und bekommen den Hinweis “geradeaus bis zum zweiten Tempel, dann links und an drei Tempeln vorbei”.
Dabei passierst Du auch – wie überall in der Stadt – eine Anzahl von Beispielen laotischer Ingenieurkunst. Diese sehen aus wie Kabel, hängen an den Straßen und stellen wahrscheinlich die Verbindung zwischen Telefongesellschaft auf der einen Seite sowie den Teilnehmern auf der anderen Seite her. Offensichtlich gibt es keine Verteiler, so dass für jeden Teilnehmer eine eigene Leitung von der Telefongesellschaft zum Telefon gehängt wird. Wie findet man heraus, welche der hunderte Leitungen zu welchem Haushalt gehört? Ganz einfach. Dafür gibt es farbliche Kodierung. Die Kodefarben reichen von hellschwarz über mittelschwarz und dunkelschwarz bis sehrdunkelschwarz. Einige sind auch ganz einfach schwarz. Für das Ergebnis dieser Ingenieurleistung würde ich glatt die Todesstrafe wieder einführen!
So gesehen haben wir Glück, dass es im Rest der Welt Verteilerstationen gibt. Ansonsten müsste für jede mögliche Verbindung eine eigene Strippe gelegt werden. Also eine von unserer Hütte in Singapur zu meiner Tochter in Leichlingen, eine zu meiner Mutter, eine zu meiner Schwester, eine zu meinem Bruder, eine zu Tante Regina, eine zu Onkel Ferdinand … wahrscheinlich eher keine zu meinem Sohn Chris, da wir nur zweimal im Jahr sprechen, was auch leicht mit einem Flug erledigt werden kann.
Glücklicherweise lässt sich von dieser Verkabelung nicht auf eine lausige Internetverbindung schließen. In unserem Hotel haben wir eine stabile und auch sehr schnelle Verbindung in die Welt. Einerseits ist das einigermaßen verwunderlich, wenn Du in Betracht ziehst, dass ein Drittel der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze mit einem Einkommen von weniger als einem Euro pro Tag zurecht kommen muss. Andererseits ist es teilweise verständlich, da Investoren nur ins Land kommen, wenn ein paar Kleinigkeiten funktionieren. Die Kleinigkeiten umfassen ein angenehmes Hotel, die Versorgung mit sauberen Nahrungsmitteln und Wasser, eine sichere Umgebung sowie eben die Kommunikation. Hinter all diese Punkte haben wir fette Haken gemacht und gehen sicher wieder nach Laos.
Ein großes Plus für Laos sind die sehr netten, unaufdringlichen Menschen, mit denen sich unheimlich gut und effizient zusammen arbeiten lässt.
Wie ist das in einem sozialistischen Staat? Was ist da anders als in der westlichen Welt? Kann man da Urlaub machen?
Frank
Ehrlich gesagt merkst Du nicht, dass Du in einem sozialistischen Staat unterwegs bist. Du kannst in KIP, der Landeswährung, oder auch in US Dollar oder Euro zahlen. Wegen der Nähe zu Thailand klappt es auch gut mit Baht.
Die Menschen sehen im Sozialismus ähnlich aus, wie in der sogenannten westlichen Welt. Vielleicht sind die sogar einen Tick freundlicher, da die noch nicht begriffen haben, dass “der einzige Lebenszweck im Geldverdienen besteht”. Ich würde die Laoten auch gerne noch etwas vor dieser Erkenntnis und der sogenannten Demokratie bewahren, wenn ich könnte.
Ob da nun Hammer und Sichel, der Halbmond oder die aufgehende Sonne auf den Flaggen erscheinen, interessiert doch praktisch keinen Menschen.
Mach Urlaub in Laos. Du wirst es mögen!