Über der Tür im Toyota-Taxi gibt es den üblichen Handgriff, den Du eigentlich nur benutzt, wenn Du mit einem Überschlag des Wagens rechnest. Dieser Handgriff ist sonst absolut unauffällig, weil er quasi im Himmel des Wagens versinkt. Heute allerdings sticht er ins Auge. Er ist behäkelt. Das heißt, er besitzt einen gehäkelten Überzug. Auch der Taxifahrer sitzt auf einem feinen gehäkelten Sitzbezug. Die Kopfstützen sind ebenfalls in Gehäkeltes gekleidet. Scheinbar hat Taxifahrers Großmutter viel für das Häkeln übrig; und nachdem alles im Haus ein Opfer von Omas Häkelwahn geworden ist, hat sie sich langsam in alle Bereiche des täglichen Lebens ausgebreitet. Ängstlich schaue ich auf das Lenkrad des Toyota – keine Behäkelung. Noch nicht. Sicher ist es gerade in Arbeit, das gehäkelte Lenkrad.

Das Taxi gehört zum Hotel in Yangon (Rangoon, > 4 Mio Einwohner) in Myanmar (Burma, > 60 Mio) und holt uns vom Flughafen ab, nachdem wir diesen in Rekordzeit passiert haben. Etwa zehn Minuten sind von der Landung bis zum Taxi vergangen. Das ist die Zeit, die ein Flieger normalerweise in Frankfurt braucht, um zur Anlegestelle zu kurfen. Und das ist eine Zeit, die im Pannenflughafen Berlin sicher nie erreicht werden kann. Wenn er dann in ferner Zukunft mal eröffnet sein wird. Falls … Fairerweise muss hinzugefügt werden, dass auf dem Flughafen in Myanmar pro Tag sicher weniger Flieger landen, als auf jedem deutschen Verkehrsflughafen in der Stunde. Neben unserem Singapore Airlines Flieger steht kein anderer. Irgendwo in der Ferne steht noch ein Thai. Sonst gibt es nur sehr kleine Maschinen, in denen eine Familie mit Hund Platz findet, wenn Opa zu Hause bleibt. Myanmar liegt eben noch etwas abseits der Touristenströme.

Allerdings ist der erste Eindruck nicht so, wie ein paar Freunde uns gewarnt hatten. Von wegen, Myanmar sei Singapore vor 20 Jahren. Das ist sicher total überzogen und tut Myanmar Unrecht. Myanmar gleicht eher Singapore vor achtzehn Jahren. Im Taxi sitzend schauen wir uns die Gegend an. Neubauten gibt es nicht. Die Straßen sind aber sauber und aufgeräumt. Der Verkehr ist geregelt und ohne Hupkonzert. Von der Nähe zu Indien spürt man Gott-sei-Dank nichts. In Indien ist alles chaotisch, die Straßen sind immer verstopft und alles ist dreckig und ungeregelt. Nur die heiligen Kühe haben Vorfahrt. Immer. Ohne Einschränkungen. In Myanmar sollen die Kühe auch heilig sein. Glücklicherweise stehen die nicht mitten auf der Straße. Ich nehme an, dass die heiligen Kühe in Myanmar mit behäkelten Hörnern herumlaufen.

Als ich die erste Dame auf der Straße erblicke, bin ich etwas überrascht. Sie sieht aus, als hätte sie zu lange in die Niveadose geschaut. Halt. Nicht Nivea. Sie hat Penatencreme über das gesamte Gesicht geschmiert. Ich denke, dass die Dame sicher eine Hautkrankheit hat. Die nächste Dame hat die gleiche Krankheit, die folgende ebenso… Nun sehe ich, dass scheinbar alle Damen in Myanmar unter derselben Hautkrankheit leiden, die mit einem dicken, weithin sichtbaren Film aus gelblicher Creme auf der Haut bekämpft wird. Später lerne ich, dass das gegen Sonne helfen soll. Das leuchtet ein, da die hässliche Paste den Sonnenschutzfaktor von Dachpappe haben muss.

Seitdem ich im Taxi sitze, kommt mir etwas komisch vor. Erst nach geraumer Zeit geht mir ein Licht auf, weswegen ich mich irgendwie unwohl fühle: Der Verkehr spielt sich auf der richtigen, also auf der rechten Straßenseite ab, wo sich auch das Lenkrad befindet. Erst denke ich, dass das Taxi wohl von Thailand eingeführt worden war. Beim Betrachten anderer Autos das gleiche Bild. Der Fahrer sitzt mit dem Lenkrad auf der rechten Seite im Auto, während rechts gefahren wird. Sicher war Myanmar vor 70 Jahren mal britisch. Aber auch in Myanmar sollten seitdem das eine oder andere Auto verschrottet und ein paar neue gekauft worden sein – jedenfalls sehen viele Wagen gut aus. Irgendwie hat Myanmar den Kraftakt geleistet, den Verkehr auf die andere Straßenseite zu legen, ohne die wesentlich einfachere Aufgabe des Kaufens entsprechender Wagen zu organisieren. Warum überhaupt macht man das? In den Nachbarländern Indien und Thailand fährt man doch auch links. Eine ähnlich absurde Situation wurde entstehen, wenn die Bayern plötzlich links fahren würden.

An einer Kreuzung werde ich Zeuge der sehr praktischen Veranlagung der Myanmaren. Mit viel Getöse nähert sich ein übervollbesetzter Bus, der wohl noch die britische Kolonialherrschaft miterleben durfte. Dieser Bus hat wie viele andere auch keine Tür, nur eine Öffnung. In der Öffnung lehnt ein drahtiger junger Mann mit einem neuen Vorlegekeil in der Hand, den er wohl eben für seinen Traktor erstanden hat. Dachte ich. Falsch gedacht. Nach dem Anhalten springt der Bursche flink aus dem Bus und legt den Vorlegekeil in Rollrichtung unter ein Rad. Beim Abfahren nimmt er selbigen Keil wieder unter dem Bus hervor und stellt sich mit stolzgeschwellter Brust dahin, wo ganz früher mal die Tür gewesen ist. Vielleicht verdient er damit seine Fahrkarte? Auf jeden Fall ist das eine sehr elegante Interpretation der Start-Stopp-Automatik.

Noch etwas ist bemerkenswert im Verkehr: Die Ampelphasen sind unglaublich lang. Wir können Busfahrer beobachten, die mitten auf der Kreuzung stehend den Bus verlassen, um in einem Geschäft Besorgungen nachzugehen. Das System klappt perfekt. Kurz bevor die Ampel schaltet, kommen die Busfahrer mit vollbepackten Taschen zurück und nehmen ihre Position ein, während Mister Feststellbremse an seinem Vorlegekeil zieht, so dass der Keil bei der kleinsten Bewegung des Busses verschwindet und wieder Fahrt aufgenommen werden kann. Ein bisschen erinnert die Situation an Fred Feuerstein. Allerdings wäre Barnie Geröllheimer nicht so bescheuert, seinen Körper unter einen fahrenden Bus zu schieben.

An einer Kreuzung stehen zwei Fahrräder mit etwas glänzendem auf dem Gepäckträger. Die gewaltigen, glitzernden Blöcke entpuppen sich beim genaueren Hinschauen als etwa zwanzig Liter Eis. Die Eisblöcke sind nicht verpackt und laufen schneller weg, als das Fahrrad fährt. Glücklicherweise haben die Jungs auf den Rädern wohl ihr Ziel erreicht. Sie verschwinden in den Hof eines Restaurants, wo sie wahrscheinlich Eis gegen etwas Lohn eintauschen.

Als wir mit unseren Kunden zusammen bei der Arbeit sind, bricht plötzlich die Stromversorgung zusammen. Wir sind schon etwas erstaunt. Das letzte Mal war mir das vor zwanzig Jahren auf den Philippinen passiert. Unsere Kunden, alles hochrangige Regierungsmitglieder aus unterschiedlichen Ministerien, bringt das nicht aus der Ruhe, das sei normal und nicht gefährlich. „Keine Sorge, das ist normal. Willkommen in Myanmar“, lassen sie verlauten und sind dabei locker drauf. „Gleich springt das Notstromaggregat an.“ Und das tut es auch. Wir finden uns damit ab und erledigen unseren Job.

Beim Nachschlagen finden wir ein paar Zahlen über den Haushalt in Myanmar. Die pro-Kopf-Ausgaben für das Gesundheitswesen sind hier so niedrig wie in keinem anderen Land. Doch was heißt das? Ich würde beim Land mit den absolut höchsten Militärausgaben wie die USA auf ein leicht aggressives Volk schließen. Da bin ich sicher nicht ganz falsch. Doch kann man unterstellen, dass die Myanmaren das gesundeste Volk auf der Welt verkörpern? Zahlen können in die Irre führen.

Zurück in Jakarta

Von Zeit zu Zeit verbringe ich einmal monatlich ein paar Tage in Jakarta für eine kleine Firma, die Chemikalien für die Industrie herstellt. So zum Beispiel helfen deren Chemikalien den Erdölfirmen, Wasser aus dem Rohöl zu trennen (Als das Erdöl in die Erde gefüllt wurde, hat irgendein Blödmann gepennt und Wasser mit rein gemischt.) Von diesen petrolchemischen Unternehmen gibt es ziemlich viele, da Indonesien reich mit dem schwarzen Gold gesegnet ist.

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Kulturelle Unterschiede

Für eine amerikanische Firma zu arbeiten ist oftmals eine gute Sache. Ein Vorteil ist, dass Du dabei zwangsläufig Gelegenheit bekommst, Dich kulturell weiterzubilden. Beim Eintreffen am Hauptfirmensitz in Stamford im US Staat Connecticut bin ich sauber in einen schwarzen Anzug verpackt, wie ich ihn in unserer Bank in Köln fast jeden Tag trage. Dazu natürlich […]

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Ein Tag auf Bali

Auf Bali gibt es mehr Affen, als man vertragen kann. Diese Affen scheinen dressiert zu sein, von den dummen Touristen Kleinigkeiten zu klauen – Brillen werden sehr gerne genommen – so dass der „zufällig vorbeikommende“ Ordnungshüter einen guten Grund hat, dem bösen Affen ernsthaft geschäftig hinterher zu laufen und die Brille wieder zu besorgen. Beim Präsentieren der Brille und Abliefern an den Touristen lässt er wie zufällig das Wort Money fallen und beim erstaunt dreinblickenden Touristen lässt er noch zusätzlich „zehntausend“ zur Erklärung folgen. Zehntausend Rupia sind etwas weniger wert als ein Euro.

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Eine Woche im Vulkan

In Manila angekommen werde ich in einem noblen Hotel einquartiert, bevor die Fahrt am nächsten Tag weiter geht nach Taal in den Süden auf der philippinischen Hauptinsel Luzon. Taal ist ein erkalteter Vulkan – jedenfalls sagt man das – in dem mittlerweile ein fruchtbarer See mit interessanter Flora und Fauna auf einer Größe von 25 […]

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Über Gewohnheitstiere

Hier ein brandaktueller Bericht aus Singapore: Jeden Morgen gegen 6.10 Uhr startet bei uns das Autoputzen. Vangie, das ist der Kosename für Evangeline Traspe Fernandez, wacht so etwa gegen 5.52 Uhr auf und kocht ihren und meinen Milchkaffee. Der Muckefuckstellvertreter kommt aus dem Beutelchen, hat etwa so viel Koffein wie eine Kaffeewerbung in der OTZ […]

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Zeitreise

Ein paarmal im Jahr machen wir uns auf nach Europa. Einerseits natürlich, um unsere Familien zu treffen und die aktuelle Anzahl der Enkel zu überprüfen. Im Moment sind es sechs, im September werden es mit Zwillingen dann acht sein. Andererseits hat sich Frau Tan ein Studium an der Uni Twente in Holland an die Backe geheftet. Also fliegen wir entweder nach Holland oder nach Deutschland und fahren dann den Rest des Weges.

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Auf dem Weg nach Nanjing

Der Flug von Singapore nach China mit Singapore Airlines ist immer angenehm, der Aufenthalt in China dagegen manchmal etwas merkwürdig. Gerade eben nach der Landung auf dem internationalen Flughafen von ChongQing mit etwa der Größe eines mittleren Busbahnhofs will ich zum viel größeren Inlandflughafen gehen. Die merkwürdige Lage der beiden Terminals auf eigentlich demselben Flughafen […]

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Duftender Hafen

Am Duftenden Hafen stehend und die Boote und Schiffe beobachtend muss ich feststellen, dass da eigentlich nichts duftet. „Hong Kong“ steht für „Duftender Hafen“, hat aber in den letzten 160 Jahren, seit Tai Pan die Hauptinsel betreten und entwickelt hat, etwas von seinem Duft verloren. Noch ist Hong Kong das Finanzzentrum Asiens, das langsam aber […]

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Beim TCM

Wenn Du in der westlichen Welt krank bist, gehst Du zum Arzt. Wenn Du in der Chinesischen Welt gesund bist, gehst Du auch zum Arzt, zum Traditionellen Chinesischen Mediziner, dem TCM. Als meine Lieblingsfreundin vor einigen Jahren den Besuch des TCM vorschlug, war mir nicht ganz klar, was ich da solle, da ich bei mir […]

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Im Südpazifik

Seit die Polynesier keine Menschen mehr essen, sind sie sehr nett zu den Überlebenden. Die Tongaer sind die freundlichsten Menschen, die ich je getroffen habe.

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Another Marathon

At the Start around 05:00h, I am really in a good shape like everyone else – hyper-optimistic and full of zest for action, for my next marathon. Let’s go.
The first kilometres pass by easily, since there is a good portion of pride. Not everyone runs a marathon. The fact that I am in my fifties adds to that pride.

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Auf dem Dach der Welt

Nach der Ankunft in Lhasa am Abend und einer Nacht ohne Schlaf auf etwa 3650 Metern machen wir uns auf zum Potala-Palast. Unser Körper ist aufgrund des Sauerstoffmangels unglaublich schlapp. Die Nacht haben wir mit Knabbereien und viel Wasser bei Kopfschmerz und Übelkeit verbracht.

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Zurück in Malaysia

Zurück in Malaysia

Im Januar 2020 ging unsere letzte „Dienstreise“ nach Malaysia. Das war sozusagen fünf Minuten vor Covid und brachte uns die erste Bekanntschaft mit dem Virus. Das war nicht weiter verwunderlich, da ein paar Tage vor dem chinesischen Neujahr die Straßen und Geschäfte vollgestopft waren mit Menschen, die noch die letzten Einkäufe vor den Feiertagen erledigen […]

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Und was klappt in Deutschland?

Wieder zurück zu Bosch Siemens in Nanjing, einer Partnerstadt von Leipzig mit etwa 8 Millionen Einwohnern. Nach zwei Tagen in Nanjing (南京), wo Amy einen Tag und ich einen Tag Workshop durchführen, geht es nach Chuzhou (滁州, einer kleinen, eher unbekannten Stadt mit mehr als 3 Millionen Einwohnern). Als ich 2003 das erste Mal dahin […]

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Im Südpazifik II

Es ist Zyklonzeit im Südpazifik. Unser kleiner Flieger von Neuseeland nach Tongatapu liegt etwa so stabil in der Luft, wie Harald Juhnke nach einer Party, so dass wir uns mehrfach mit beiden Händen an den Sitzen festkrallen.

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Bei Interesse, schick einfach eine Mail an uk@uk-online.de. Danke. UK

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